Winterblues

Am liebsten mag ich die winterstillen Tage. Nordstrand und Pellworm nur noch hauchzarte Konturen am Horizont, über den sich der Dunst gelegt hat. Jegliche Geräusche wie verschluckt, das Meer hat sich entfernt. Vereinzelte Vogelschreie im Watt und das Knirschen unserer eigenen Schritte im Sand. Wenn wir jetzt schweigen, sind wir eins mit dem Land.

Und manchmal verschluckt der Nebel alles.

Doch lechzen wir nach Sonne, auch in der Winterstille. Und lieben den Wetterwechsel, den traditionellen Dramahimmel. Grelles Licht zwischen schwarzen Wolken. Platzregen am Horizont. Warten in der Winterstille. Auf die Rückkehr der Farben und Düfte. Sonne auf der Nase, den Wangen, ansonsten sind wir maximal bedeckt.

Auf Schnee wartest du vergebens. Sehnst dich nach diesem Tag im letzten oder vorletzten Jahr. Spät kam die weiße Pracht, es war schon März. Spontan hatte sich die ganze Familie freigenommen, um jede Minute davon auszukosten. Sich in den Schnee geworfen, den Schnee in die Luft gesprüht, wie man es auf zahlreichen Instagram-Fotos sieht. Vergessen, dabei ein Foto zu machen, um Wirklichkeiten nachzubilden, Flüchtiges zu verewigen.

Lieber hast du in dem weißen Bett gelegen, in den Himmel geschaut, während die Flocken um dich herum tanzten und eine Art weiße Metaebene schufen. Der Himmel verschwunden. Wenn du so richtig nachdenkst, war es doch zwei, drei Jahre her. Schnee hast du zwischendurch nur weiter nördlich gesehen. In Norwegen und Schweden, wo die weiße Winterstille verweilt.

Winterblues in Sankt Peter Ording
Winter am Strand

In Nordfriesland auf der wunderbaren Halbinsel Eiderstedt sieht es derzeit so aus, dass wir eine Mutation erleben. Kein Virus ausnahmsweise. Die Marschlandschaft hat sich in ein riesiges Feuchtgebiet verwandelt. Seeflächen, so weit das Auge reicht. Prallvolle Gräben, die bald überlaufen. Noch könnte sie als Wasserwege nutzen, wer über ein SUP-Board verfügt und das Gleichgewicht auf puddingartigem Untergrund zu halten weiß. In Gräben ist das wesentlich leichter als auf dem Meer, eine gute Navigation vorausgesetzt.

Aber können wir aufgrund der drohenden Überschwemmungsgefahr noch Sicherheit für die wegen der Vogelgrippe eingesperrten Hühner garantieren? Oder sollen wir sie vorsorglich mit Schwimmwesten, Mini-Gummistiefeln und weiterem Equipment oder gar mit einem hühnergerechten Boot ausstatten, dass zudem gegen die vom Himmel kommende Viruslast schützt? Wir sind ratlos. Müssen dann aber erleichtert feststellen, dass der Wind kräftig geweht hat, und die Böden teilweise etwas trockener erscheinen. Vorerst wäre die Gefahr gebannt.

Gänse überall

Manchmal erscheinen einst grüne Fennen mit apartem Relief und schwarz-weißer Färbung. In diesem Fall hat sich ein größerer Schwarm der stets präsenten Nonnengänsen niedergelassen. Scheinbar nutzt man gänseseits die Route über Nordfriesland nicht mehr nur für Zwischenstopps, sondern findet Gefallen daran, ganzjährig hier zu verweilen. Du lässt den Blick schweifen: Ein weißer Reiher spaziert am Graben entlang, er wirkt wie der Kapellmeister vorm Gänse-Orchester. Auch die Zahl der Silberreiher hierzulande wächst. Wen wundert es, wo die Halbinsel im Winter stets zum begehrten Feuchtgebiet mutiert, sagen wir, aus Reihersicht.

Clean-up in Stufhusen
Plastik überall

Unsere täglichen Gassis sind wetterabhängig, was die Ortswahl angeht. Der Ordinger Hundeauslauf am Strand scheidet schon länger aus, da unter Wasser. Hingegen lieben wir Stufhusen, wo sich immer mehr Sand ablagert. Der Mann sammelt hier gerne Plastikmüll, was mir zunächst wegen der Vogelgrippe nicht angebracht erschien. Doch tote Gänse, Greifvögel oder Knutts haben wir zum Glück nicht mehr gesichtet, daher sei dem Mann das Sammeln wieder erlaubt.

Strandfunde

Denn zwischen Muscheln, Algen, Lahnungen oder Steinböschungen ist genug Müll zu finden. Selten mal ein Stück Holz, und wenn, dann gleich eine ganze Pricke, die wohlmöglich bei Sturm und Wellengang herausgerissen und zum Ufer getragen wurde. Irgendwo fehlt sie nun bei der Markierung einer Wasserstraße und muss neu gesetzt werden.

Immer wieder Stücke von Geisternetzen, die auch im Meer treibend oder an den Holzpflöcken der Lahnungen noch Schaden anrichten können. Der Mann muss manchmal kräftig ziehen, wenn er auf Beutefang geht, sprich mit dem Clean-up zugange ist, was die Hunde ein wenig aufregt. Nicht selten muss er aufgeben, weil die Verknotung zu komplex ist oder sich teilweise schon unterirdisch fortsetzt. Nichtsdestotrotz kommt in einer Stunde viel zusammen.

Eipaket der Wellhornschnecke
Laichballen

Ein hellgelbes Gebilde aus Bällchen fasziniert mich: Wie ich später herausfinde, handelt es sich um das leere Eipaket einer Wellhornschnecke. Eigentlich sollte man ihre Laichballen eher ab dem Frühjahr am Strand finden, wenn das Wasser wieder wärmer wird. Zum Schlüpfen ziehen die Schneckchen mindestens acht Grad warmes Wasser vor. Aktuell zeigt das Thermometer drei bis vier Grad an, während die Wassertemperatur im Dezember noch bei sechs Grad gelegen hatte.

Mützen und Stiefel

Winterzeit ist Mützenzeit. Das geht nicht spurlos an deiner Frisur vorüber. Kurze Haare entwickeln einen fruchtbaren Dialog aus Plätte und Kreiselbildung, während längere Haare bis Mundhöhe etwa so wirken, als würde man nach der Mütze ein unsichtbares Netz tragen. Der Rest steht lustig ab. Je länger das Haar ist, desto besser der Gesamteindruck mit Mütze und vor allem danach. So nutze ich die friseurlose Zeit, um die optimale Mützenfrisur heranzuzüchten.

Insgesamt lohnt es sich, über eine gewisse Mützenauswahl zu verfügen, was Farbe, Form und Material anbelangt. Dünnere Mützen eignen sich zum Beispiel bei Wind und Nässe, da sie unter der Kapuze nicht zu voluminös wirken und den Raum zwischen Kopf und Kapuze optimal wärmen. Mit der richtigen Form- und Farbwahl setzt du Akzente, kreierst Trends und beglückst eventuell deine Umwelt. Für Heiterkeit zu sorgen ist auch erlaubt, gerade in Zeiten wie diesen.

Winterstille am Spieker
Ein Hauch von Farbe

Winterzeit ist auch Gummistiefelzeit, diese dauert in etwa ein halbes Jahr. Die Gründe liegen klar auf der Hand, wohnt man auf dem Land. Vor allem in der sogenannten Winterregen-Marsch. Mein Extra-Tipp für das Balancieren auf aufgeschwemmten Böden: Die Hände nicht in die Taschen stecken, damit man im Fall des Falles, beziehungsweise zur akuten Vermeidung des Hinsegelns, das Gleichgewicht zu wahren weiß. Handschuhe können im übrigen die Taschenwärme ganz gut ersetzen, wie ich unlängst festgestellt habe.

Viel Matsch, viel Meer, viel Pflege! Tägliches Abbrausen nach jedem Gassi sowie in regelmäßigem Abständen ordentliches Saubermachen und Pflegen verlängern die Lebensdauer deiner Lieblingsteile aus Kautschuk. Aber machen wir uns nichts vor: Bei täglichem Gebrauch im Schlick, Sand und Marschboden plus häufigem Salzwasserkontakt überleben auch die besten Stiefel selten lange.

Jetzt hat es über Nacht geschneit, ein Hauch von Weiß bedeckt die Landschaft. Zu wenig um sich hineinzuwerfen, aber genug, um das Weiß in der Sonne (!) zu genießen. Eisspaghetti im Gras zu entdecken. Schönste Winterstille.

Text und Fotos: Elke Weiler

6 thoughts on “Winterblues

  1. Heute bin ich mit den Kindern bei Euch vorbei gefahren. Traumhaft, wie sich der blaue Himmel in den vielen Wasserflächen spiegelt. Den meisten Schnee hatten wir in St. Peter. Haben Böhl unsicher gemacht, die Rodelbahnen begutachtet und sind natürlich auch zu den weltberühmten Toilettenhäuschen gelaufen.

    Die Stimmung war so traumhaft, dass wir erst jetzt wieder zurück sind. Winter kann so schön sein:-) Bilder gibts dann morgen.

    Liebe Grüße

    1. Das war eine sehr gute Idee – zum perfekten Zeitpunkt! Habt ihr mal gewunken, als ihr hier vorbei gefahren seid? ;-)

      Liebe Grüße und einen schönen Abend!

  2. Diese Schneepracht von vor zwei Jahren könnte es doch wiedergeben,die Hunde würden sich doch total freuen und nochmal so gerne Gassi gehen.

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