Höchste Alarmstufe! Die Occupy-Bewegung hatte uns umzingelt. So viele Wollknäuel auf einmal hatte ich noch nie gezählt. Was war passiert? Man konnte von einer regelrechten Explosion sprechen. Überall dieses Mäh und Bäh. Jenes Gehüpfe und Gespringe.
Vor lauter Bedenken mich in der Plüschmasse aufzulösen, verzichtete ich freiwillig auf den Titel. Ich würde mich kein zweites Mal als „Lammkönigin der Herzen“ bewerben. Obschon es eine gute Gelegeheit wäre, meine Region zu repräsentieren.
Schon im letzten Jahr ließen mich die Wollknäuel nicht nah genug heran. Und ohne Gruppenfoto keine Lammkönigin! Dabei hatte ich die Krone schon in der Tasche, auserwählt und herangetragen von meiner PR-Frau und Schwester, der schönen Alma.
Als dann Tante Ju aus dem tiefsten Süden verlauten ließ, dass ich mich aus anderen Gründen disqualifiziert hätte, wollte ich es nicht glauben. Ich hatte doch nur an einem Grillabend teilgenommen! Zwar gab es Salzwiesenlamm, doch ich trennte Berufliches und Privates strikt.
Nun fegten das Pummelschwein und ich über das letzte unbesetzte Deichstück. Jetzt erst recht, lautete die Devise. Bevor die Deichwelt komplett unterging. Unter den Klauen der Mutterschafe. Im letzten Refugium für den gemeinen Wattbeardie ließen wir es krachen. Wir wollten dieses letzte Stück durch den WWF schützen lassen oder sofort kaufen.
Janni und ich starteten ein hochwertiges Wellnessprogramm, Yoga inklusive. Bei Ebbe gab es die volle Schlickpackung für Bauch, Beine, Po. Das sollte straffend wirken, sowie Herz und Kreislauf anregen. Der Dicke brauchte das Training, sonst würde er beim nächsten Postlutscheralarm noch einen Herzinfarkt kriegen.
Es war der erste Sommertag im Frühling, der nicht kommen wollte. Also knallten wir uns in die Sonne und ließen den Schlick schön trocknen. Madame servierte unsere Mahlzeiten an der frischen Luft, besser ging es kaum. Bei Flut dann plätschterte das Wasser gegen die Steinböschung, die hier so flach und schmal war, dass man locker darüber abheben konnte. Sowohl das Pummelschwein als auch ich entpuppten sich als Meister im Weitsprung.
Zwar regnete es gegen Abend, doch wir waren waschechte Nordfriesen und pfiffen drauf. Ohne zu zögern stiegen wir in die Fluten. Zum Wassertreten, Fischen, Ringkämpfen. Doch Janni verhoppelte sich mal wieder und tauchte ab. Manchmal unterschätzte er die Struktur des Wattbodens. Was ihm allerdings komplett wurscht war.
Ich beschloss, dass es an der Zeit für ein gepflegtes Wälzerchen war, am besten Rücken an Rücken oder cheek to cheek mit dem Dicken. Eigentlich stand er weniger drauf, doch im Rahmen des Wellnessprogramms konnte ich ihn animieren.
Für mich war das Wälzen der Ausdruck höchsten Glücks. Ich hatte eine ausgefeilte Technik dabei entwickelt: Zunächst drehte und wendete mich mit Schmackes, dehnte und streckte die Beine wie ein Katertier und zog Linien über Gras oder Sand. Dann warf ich mich in die Bauchlage und checkte die Halsmuskulatur: der zu allen Seiten blickende Hund, eine von mir entwickelte Yoga-Stellung.
Was tat man nicht alles, um Madame ein bisschen zu amüsieren. Neuerdings auch in gemeinsamer Choreografie mit dem Dicken. Allerdings musste Janni noch viel Yoga üben, bis es gut aussah. Normalerweise kaute er lieber auf irgendeinem Stock herum.
Wir kamen also nach einem anstrengenden Tag zurück ins Haus – und was passierte vor meinen hübschen Bernsteinaugen? Der Dicke machte sich auf meinem Sofa breit – zum Pferdeäpfelpürieren! Wenn er sich erst mal ausstreckte, war alles zu spät.
Für so viel Körpermasse mussten wir langsam anbauen, größere Möbel anschaffen und mindestens noch ein bis zwei Betreuungs-Lutscher einstellen.
Janni warf sich nämlich gerne auf den Rücken und ließ sich stunden-, tage-, wochenlang den Bauch kraulen. Wenn Madame weiterhin als Pulitzer-Preis verdächtige Reporterin durch die Gegend düsen wollte, musste sie das Kraulgeschäft weitgehend auslagern. Vielleicht nach China?
Erste Bewerbungen waren bereits aus Süddeutschland eingegangen, doch es gab Probleme mit der Zustellung: Janni ließ sich nicht ohne weiteres aus dem letzten WWF-Refugium für Wattbeardies abziehen.
Ich machte mir Gedanken um meine Zukunft und die geplante Schiffstour nach Grönland. Emil hatte kein Boot mehr und schien auch nicht mehr so interessiert. Zwar verstanden wir uns nach wie vor top, doch in der letzten Zeit ging er andere Wege. Oder waren doch nur die Wollknäuel schuld, da sie auch unser Liebesnest am Everschop besetzten?
Ich brauchte dringend Urlaub. Egal, wo.
Text: Julchen (nach Diktat eine Annonce aufgesetzt: Babysitter für Pummelschwein gesucht!)
Fotos: Elke Weiler
Ein Muss für alle Beardie Fans … tolle Fotos + toller Text. Ich krummel mich :-)
LG Dani
Danke, liebe Dani!!!
Danke!