Obschon ich Reisebloggerin bin, lese ich selten Geschichten von Abenteurern. Guirec Soudée ist aber einer, und ich verschlinge sein erstes Buch, das gerade auf Deutsch erschienen ist. Ich muss zugeben, dass bei der Auswahl im Buchladen gar nicht die Seefahrt im Vordergrund stand. Gut, ich bin Meerbloggerin, habe jedoch keinen Schimmer vom Segeln. Viel Erfahrung hatte der knapp über 20-Jährige übrigens auch nicht, als er auszog, um den Atlantik zu queren. Allein. Unbedarft, aber mit großem Selbstvertrauen zieht Guirec aufs Meer, andere würden es Leichtsinn nennen. Aber seinen Träumen zu folgen, ist selten verkehrt. Natürlich erfordert so ein Trip eine gewisse Vorbereitung. Aber wie Guirec richtig sagt: Wenn du zu lange abwägst, machst du es nachher nicht. Denn genug Gründe, etwas nicht zu tun, gibt es immer.
Gerne hätte er eine tierische Begleitung an Bord, dabei dachte Guirec schon zu Beginn an ein Huhn. Doch man riet ihm davon ab, und er verlässt seine bretonische Insel auf Solotour. Kurz vor der Überquerung denkt er wieder ans Huhn, spricht darüber mit seinen neuen Bekannten auf den Kanaren, die ihm prompt eine Henne schenken. Monique. Darum lese ich das Buch. Seit wir uns den Garten mit drei Hennen teilen, vergeht kaum eine Woche, in der sie mich nicht mit irgendetwas verblüffen oder zum Lachen bringen. Bis dato hatte ich Hühner völlig unterschätzt.
Momo schafft alles
Guirec macht ähnliche Erfahrungen mit Monique, wenn auch unter extremen Bedingungen. Er ist froh, allein und doch zu zweit zu sein, auch wenn Monique ihren Charakter hat, nach und nach in seine Privatsphäre unter Deck dringt, alles auf den Kopf stellt. Mit Monique diskutieren? Da kann man auch mit einer Wand reden, konstatiert Guirec. Ihren Verschlag hat er selbst gebaut und an Deck installiert. Am Ende schafft Momo, wie er sie liebevoll nennt, sogar an seinem Essen teilzuhaben. Denn wenn eine Henne sich einmal etwas in den sturen Kopf gesetzt hat, arbeitet sie unermüdlich daran. Guirec und Monique sind aus dem gleichen Holz geschnitzt.
Natürlich schreibt der Segler nicht nur über sein Sozialleben mit Huhn an Bord. Da ist der Alltag bei der Atlantiküberquerung, Probleme, Herausforderungen, seine fehlende Erfahrung, aber auch sein Einfallsreichtum und seine Flexibilität, die ihm schon mal den Kopf retten können. Er macht sämtliche Reparaturen selbst, wie sollte es auch anders funktionieren. Über mangelnde Kreativität, Kühnheit und Zähigkeit kann er nicht klagen.
Bevor er nach vier Wochen in der Karibik landet, setzt sein GPS aus. Guirec richtet sein Ruder nach den Sternen und gen Westen aus. Vielleicht wird er nicht präzise in Saint-Barth landen, sein erklärtes Ziel, aber die grobe Richtung stimmt. Kurz darauf hat er das GPS bereits repariert. Tanzt an Bord, als er endlich wieder Land sieht, und ruft als erstes seinen Vater an, der ihn nicht wie alle Anderen von diesem Trip abhalten wollte. Man muss sich einfach mit ihm freuen.
Das nächste Projekt
Ein Jahr bleibt er in der Karibik, arbeitet als Gärtner, Kellner und Surflehrer, repariert sein Segelschiff, um es für Grönland tauglich zu machen. Denn sein nächstes Projekt steht bereits: Überwintern zwischen Packeis. Man mag ihn für verrückt halten, doch Guirec weiß, was er will, und wie er es schafft. Der Rest wird improvisiert. Die Medien berichten nach der Ankunft in der Karibik über ihn, Sponsoren interessieren sich für seine Ideen.
Er macht sich auf den Weg nach Norden, segelt über Halifax nach Grönland. Doch hier läuft alles anders als nach Plan. Er wartet auf einen neuen Motor, verbringt einen Monat in einem grönländischen Dorf namens Saqqaq in der Diskobucht. So verliert er Zeit, schafft den Weg in den Norden Grönlands nicht mehr. Es ist zu spät. Die Fischer raten ihm, in der Diskobucht zu bleiben. Dann scheint sich alles gegen ihn zu wenden – einzig Monique pickt unbesorgt weiter an Bord.
Zur Zeit frage ich mich noch, wie die Henne nach dem Karibik-Aufenthalt mit der arktischen Kälte klar kommt. Bislang hat sie sich zu einer ähnlichen Sportskanone wie ihr Segelpartner entwickelt: das surfende, skatende, schwimmende Huhn. Ich weiß nicht, ob ich unseren Hennen davon erzählen soll, sie sind sowieso neugierig und recht expansiv aufgestellt. Eine von ihnen hat bereits eine Grabenwasserüberquerung hinter sich! Unfreiwillig, aber sie hat es geschafft. Wir fanden sie im Dickicht des Nachbargrundstücks wieder. Ein bisschen nass, aber wohlauf.
So viel sei verraten: Eier legt Monique auch noch im grönländischen Winter – sehr zur Freude der Bewohner von Saqqaq…
Text und Foto: Elke Weiler
Brynja würde bestimmt auf einem Schiff mit fahren, wenn es genug Körner und Würmer für sie an Bord gäbe.
Das fürchte ich auch. Die Monique auf dem Segelschiff war ja schwer begeistert von fliegenden Fischen! :-)