Schietwetter

Die Postbotin, die ich nie gebührend begrüßen durfte, brachte einen enormen Koffer. Angeblich sollte ich ihr wegen einer Allergie nicht zu nahe kommen. Doch ich sah ihr an, wie niedlich, knuffig, putzig sie mich fand. Es musste hart für allergische Botenfrauen sein!

Der Kleiderschrankkoffer roch verdächtig nach Grandmadame: Dem Umfang nach zu urteilen hatte sie vor, länger als zwei Tage zu bleiben. Ich freute mich ja auch über ihren Besuch, doch musste Madame gleich die ganze Bude nass machen? Dabei verstieß diese Sauberkeitsjournalistin gegen das heilige Gebot der Mittagsruhe, das bei genesenden Hunden besonders zu beachten ist.

Wer ist hier das Schaf?

Außerdem hatte ich meine Siesta bitter nötig, um später für Grandmadame das komplette Empfangsprogramm auf die Beine stellen zu können. Deswegen hoffte ich auf Madames Verständnis, dass ich ihr beim Wischen nicht behilflich sein konnte.

Doch mit meiner wohlverdienten Siesta kam ich auch nach der Putzerei nicht zu Potte. Dumpfes Huftrampeln auf dem Weidenboden riss mich aus meinen Tagträumen: Der Schatten der Pferde, wie ich den schwarzen Hund voller Neid nannte, machte mich verrückt.

Er jagte einen Schönling über die Fenne, kaum größer als sein Schatten – ein Wettkampf auf Augenhöhe, in jeder Hinsicht. Spielen oder Hüten? Pfff! Der Schatten liebte die Schnelligkeit und wollte sich messen. Gegen eine ausgewachsene Profilneurose kam ich mit meinen lauten Einwürfen nicht an.

Der Typ ignorierte mich schlichtweg. Gab es ihn überhaupt? Er verschwand, so wie er gekommen war – aus dem Nichts und dorthin zurück. Doch der Graue blieb. Ein starker Typ, etwa meine Figur und Größe, mit gedehntem Rücken. Bei mir war das die typische Teenager-Schlaksigkeit. Der Graue hingegen hatte sein Alter.

Er wusste, wo der Hase langlief. Mit seiner kecken Igeltolle ähnelte er den Pferden. Ein Rockstar. Ich lockte ihn, sprang hin und her, lud ihn zum Bellen und Spielen ein. Keinerlei Reaktion. Also gab ich alles, für die Ewigkeit und eine Minute.

Da! Der sture Kerl näherte sich in zackiger Gangart. Er stand jetzt direkt hinterm Gatter, sah wortlos zu mir hinüber. Hatte er Tomaten auf den hübschen Augen? Tagtäglich versicherten mir unzählige Lutscher, wie süüüüüüß ich war! Letztens noch ein ganzer Trupp Titis auf Ferienfreizeit in St. Buddel, wo wir uns während des Sommers herumgetrieben hatten.

Julchen an der Copacabana

Damals war noch Strandwetter gewesen. Ein Leben wie an der Copacabana. Vielleicht sonnte sich der Graue auch manchmal dort? Ich musste hart recherchieren…

Später verklickerte mir Madame grinsend: Mein neuer Schwarm hieß Frido und war ein Mini-Pony. Ich war völlig von den Socken. Das Grinsen würde ihr schon noch vergehen, wenn sie von meinen Recherche-Plänen jenseits des Zaunes erfuhr…

Kaum dass Grandmadame auf der Bildfläche erschienen war, schlug das Wetter in besuchsunfreundlich um. Was bedeutete? Ich hatte alle Pfoten voll zu tun!

Schließlich durfte hoher Besuch keine Wetter-Depri erleiden! Ich sah sie mit beschriebenen Papierblättern auf der Couch hocken und wusste, ich musste handeln. Brachte ihr Papi den Elch, Gina die Giraffe, und als das alles nichts half, meinen absoluten Trumpf: den Erpel.

Mochte sie etwa den schönen Enzo nicht? Ok, er war ein bisschen nass. Aber nur wegen des Wetters! Draußen regnete es weiter. Nach unserem Spaziergang am Holmer Siel hing mein schönes Fell wie klebriger Tang an mir herab.

Wenn Frido mich nun so sah? Madame rubbelte und strubbelte. Doch zu Hause legte ich meine Decken übereinander und kuschelte mich darin ein.

Frido?! Komm‘ in meine Träume! Mit diesem verführerischen Blick aus Glutaugen, dieser unnachahmlichen Sturmfrisur! Buddy sagen wir nichts, meine Freunde: Frido würde mein süßes Geheimnis bleiben.

Text: Julchen (nach Diktat im Beautysalon verschwunden)
Fotos: Elke Weiler

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