Die Musik des Kaffees

„Soft rain“ nennen die Dubliner den üblichen Nieselregen. Für einen Schirm reicht das kaum, diese Art von feuchter Luft. Ich halte mein Gesicht dem Himmel entgegen, die Haut wird bestimmt ganz soft in Irland.

Als es dann doch stärker plätschert, fällt mir das Bewley‘s ein. Ich bin nämlich gerade auf der Grafton Street, Fußgängerzone, Straße der Ketten und Kaufhäuser. Rush hour mit tütenbeladenen Shoppern und Straßenmusik.

In dieser Umgebung wirkt das Traditionscafé wie ein Fels in der Brandung. Aber auch wie ein Fremdkörper, mit diesem Nostalgie-Outfit. Nach eigenen Angaben wurde es schon 1927 von einem gewissen Ernest Bewley eröffnet wurde.

Und stilistisch ist das über weite Teile nicht zu leugnen: Art Deco, vor allem die unglaublichen Fenster im hinteren Saal. Kaffeehäuser in Paris und Wien standen wohl bei der Ausstattung Pate. Und dann noch ein bisschen Oriental Style, fertig war die neue Location.

Wichtiger ist jedoch, was sich innerhalb des alten Gemäuers abspielt. Die Musik des Kaffees. Allein der Duft der frisch gerösteten, gemahlenen Bohnen, der sich im Bewley‘s durch alle Etagen zieht, macht schon munter.

Die selbstgemachten Süßigkeiten in der Auslage sehen fantastisch aus. Eigentlich hätte ich einen der typischen Scones probieren sollen, mit Sahne, doch die schwülwarme Luft dieser Tage ist ein wahrer Appetitzügler.

Hier hat schon James Joyce seinen Kaffee getrunken: das Bewley's auf der Grafton Street in Dublin
Hier hatte schon James Joyce seinen Kaffee getrunken: das Bewley’s auf der Grafton Street

Erst mal einen Rundgang, denn im ältesten Café Dublins kann man sich schon fast verlaufen. Ganz oben ist der Theaterraum – für Lunchgäste öffnen sich kurz vor Eins die Türen. Dafür bin ich zu spät dran und lasse ich mich einfach in der dritten Etage häuslich nieder.

Der sehr schmale Balkon davor führt zur Grafton Street – schon James Joyce soll hier gesessen haben. Drinnen vermutlich auch. Ein Dreh- und Angelpunkt des sozialen Lebens wie zu Zeiten der großen Dichter scheint das Café auch heute noch zu sein.

Jedenfalls ist es rappelvoll, die Atmosphäre lebhaft, anregend, voller Energie, bunt gemischt. Inspirierend, damals für Joyce und Beckett, heute für wen auch immer. Ich genieße meinen handgerösteten Guatemala-Kaffee aus der French Press, Schlückchen für Schlückchen. Arabica-Bohnen aus Fair Trade, geröstet in der vierten Etage.

Langsam kommt der Appetit wieder, ich lasse mich zwei Etagen tiefer nieder. Der Saal mit den Giga-Fenstern hat es mir einfach angetan. Also versinke ich auf einer der Samtbänke und studiere. Die Speisekarte. Das Ambiente. Die anderen Gäste. Die floralen Muster und Fantasievögel der Glasscheiben.

Dann steht der Salat auf dem Tisch. Und beim nächsten Dublin-Besuch, das ist ganz sicher, werde ich im Bewley‘s frühstücken. Oder einen Roman schreiben. Damit es auch später mit der Inspiration klappt, kommt noch eine Tüte von der hauseigenen Mischung mit nach Hause. Allein der Duft…

Text und Fotos: Elke Weiler

Danke an Fáilte Ireland / Irland Information, die diese Reise ermöglicht hat.

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