Happy in Holnis
Eine nasse Haut hat sich vom Regen über den Sand gelegt. Doch es dauert nicht lang, bis die Flecken in der Sonne trocknen und verschwinden. In der Mitte eine blaue Matte, die über den Strand zum Meer führt. Lieber mache ich einen Bogen, lieber laufe ich barfuß, fühle den Sand unter den Sohlen. Moin, Holnis Drei. Die Möwen, das Wasser, der Sand, alles noch da. Vielleicht ein bisschen ordentlicher, vielleicht aufgehübschter. Stiller vor allem, und das liegt am Herbst.
Eine Möwe steht auf einer Insel im Wasser und putzt sich hier, da, reibt ihren Schnabel über den Sand. Glasklar die Förde an diesem Tag, Drama-Wolken spiegeln sich im Wasser. Blaugrün, flach, kostbar, dieser Teppich, der bis nach Gegenüber reicht, in ein solides Blau changierend. Der die Wolken trägt und weiße Segelschiffe, die zwischen Deutschland und Dänemark kreuzen. Manchmal kippen sie ein wenig, gebogen vom Wind. Davon nichts zu spüren in der Bucht. Nur wenn ein Boot cruist, kommen die Wellenbewegungen als Gruß in Holnis Drei an.
Ich suche den Boden im wadentiefen Wasser ab. Muscheln, Algen und Seegras wiegen sich phlegmatisch im Takt der Förde. Wie aufbrausend die Ostsee bisweilen sein kann, erzählt ein Schild auf der Promenade des Strandortes: Im November 1872 hatte ein Orkan riesige Wassermassen vor sich her getrieben, die westliche Ostseeküste sah sich meterhohen Wellen ausgeliefert. An der Stelle des reetgedeckten Bauernhauses unmittelbar vor dem Strand riss das Hochwasser ganze Stallwände ein. Mehr als drei Meter über Normalnull maß man damals.
Neugierige Kleinfische
An Tagen wie diesen schwer vorstellbar. Ich stehe eine Weile im flachabfallenden Wasser und beobachte kleine Grundeln, die wiederum Interesse an meinen Füßen zeigen. Kamerascheue Tiere. Nähere ich mich, flitzen sie davon, blitzschnell. Farblich verschmelzen sie mit dem sandigen Untergrund. Werden unsichtbar, wenn ihnen danach ist. Stehe ich wie festgewachsen, nähern sie sich und schauen mich mit Knopfaugen neugierig an.
Stundenlang könnte ich im seichten Wasser spazieren, stehenbleiben, waten, wandeln, laufen, platschen. Bis mir Schwimmhäute zwischen den Zehen wachsen. Bis ich jeden Stein und jede Muschel kenne. Bis ich anfange, mit den Möwen zu singen, die auf dem Wasser treiben oder an der Kante herumstehen. Ein Trupp Enten hat sich für ein Chillout niedergelassen, verflixte Idylle.
Holnis Drei, das sind gut zwei Kilometer Strand. Nur, damit ihr euch das vorstellen könnt, Zahlen sind ja Schall und Rauch. Im Norden wird der Beach etwas steiniger und, wie man auf Katalogdeutsch sagt, naturbelassener. Heißt übersetzt: Hier liegen mehr Dinge herum, die nicht unbedingt zur Natur des Strands zählen. Vergessene Boxershorts, eine verlorene Socke. Eine Murmel, eine vergessene Liebe. Erinnerungen an sternenklare Sommernächte.
Die Strandkorbzone hingegen wie aus dem Ei gepellt. Nichts als feiner, heller Sand, der bei jedem Schritt die Füße massiert. In der Nähe der DLRG-Wache, die in einem Strandwagen beheimatet ist, kann man recycelte Dosen für Zigarettenkippen ausleihen. Kippen herkömmlicher Filterzigaretten bestehen aus dem Kunststoff Celluloseacetat und enthalten giftige Stoffe wie Arsen, Blei, Cadmium. Mit der Zeit zerfallen die Filter zu Mikroplastik und gelangen so in die Nahrung von Fisch und Mensch. (Wer mehr darüber wissen will, kann sich zum Beispiel bei Tagesschau oder Süddeutsche informieren.) Die Idee mit den alten Dosen macht jedenfalls Schule.
Beach Talk
Außerhalb der Ferienzeit entfaltet Holnis Drei seinen ganzen Charme, seine Intimität, seine Ruhe. Man trifft immer wieder auf dieselben Leute. Was auch daran liegen mag, dass der Ort mit einem Campingplatz, ein wenigen Häusern, Strandbuden, einem Café und einer Pizzeria überschaubar bleibt. Ich sitze am Strand, Gesprächsfetzen dringen zu mir herüber. Eine Seniorin im Strandkorb sagt zu ihrer Nachbarin: „Schau mal. Ich habe ein neues Tattoo.“ Ob es der Nachbarin zusagt, darüber weiß ich nichts.
Denn die Gespräche vermischen sich. Am Nachbartisch der Strandbude sitzen zwei Männer, die sich gerade erst kennengelernt haben. Doch man ist sich gleich einig: „Das ist ein wunderschöner Strand hier.“ Still stimme ich zu und stehe auf. Glatt wie ein Spiegel das Wasser. Verlockend. Quallen sind weit und breit keine zu sehen, die Wassertemperatur soll noch 20 Grad messen. Ich muss baden.
Fast wundere ich mich, dass nicht mehr Betrieb herrscht, am Wochenende sah das sicher anders aus. Am tiefblauen Himmel segeln Cumulus-Wolken, ich lege mich auf den Rücken und lasse mich treiben. Bewege mich sparsam wie die Grünalgen im Wasser. Blicke in den Himmel über Holnis Drei. Die Wolken ziehen weiter, es ist schön zu bleiben. Später gehe ich triefend an einer Spaziergängerin vorbei, trockenen Sand unter den Füßen, happy. Da fragt sie mich spontan: „Wie war’s?“ Typisch Holnis, denke ich.
„Wunderbar“ kann ich nur sagen. „Wunderbar.“
Text und Fotos: Elke Weiler
Noch ein paar Infos
Im ersten Blogjahr habe ich Holnis für einen Strandtest im August aufgesucht, ich war in der Nähe von Glücksburg. Es hat mir gleich gefallen, doch die Tage im letzten Herbst mit Übernachtung fühlten sich noch besser an. Das Meer vor meinem Zimmer. Ich öffne die Tür, ich rieche es. Nachts höre ich es leise im Dunkeln quasseln, morgens nach dem Aufwachen.
Eigentlich ist Drei ein kleiner Ort auf der Halbinsel Holnis, auf Dänisch „Draget“. Der zugehörige Strand Drei zählt zu den Fördeschätzen. Die Strandpromenade bildet einen Teil des sogenannten Fördesteigs, einem 95 Kilometer langen Wanderweg, kongenialer Partner des dänischen Gendarmstiens. So besteht die Möglichkeit, die Förde einmal zu Fuß zu umrunden.
Die dänische Seite der Außenförde hat man in Holnis stets vor Augen, blickt auf grüne Hügel und kleine Ortschaften wie Brunsnæs. Wer zu einem Ausflug mit dem Schiff auf die dänische Seite starten möchte, kann das im sechs Kilometer entfernten Glücksburg tun. Auch von Langballigau verkehren Linienschiffe nach Sønderburg. Zwischen Egernsund und Langballigau kann man im Sommer die neue solarbetriebene Fahrradfähre nehmen.
Holnis wäre mal ein Urlaubsziel für mich im nächsten Sommer.
Das würde passen. Im Sommer ist es allerdings auch voller. Musst du mal überlegen, ob Frühsommer oder Frühherbst nicht netter wären.
Liebe Elke,
Holnis liebe ich sehr – hab schon oft damit geliebäugelt, einmal dort zu übernachten. Und ich glaube sofort, dass es wunderbar war! Zumal in der Nachsaison. Im Gegensatz zur Nordseeküste ist die Ostseeküste ja so filigran. Viel zu zart für die Hochsaison. Den Fördersteig bin ich überigens schon gelaufen. Im Mai. Da war Holnis auch nicht überlaufen. Es ist meiner Meinung nach der schönste Wanderweg in Schleswig-Holstein. Jeder Meter eine Wucht. Und Holnis würde sich super als erstes Etappenziel anbieten. Zur Übernachtung dann also. Liebe Grüße, Stefanie
Liebe Stefanie,
filigran, das hast du schön gesagt, mit Liebe. Und danke für die Infos! Ich würde es super gerne einmal tun, die Förde umrunden. Ich war „nur“ am Gendarmenstieg, und das auch nur kurz, aber lang genug, um auf die Idee zu kommen. Und Mai ist ein guter Tipp (wenn ich da nur nicht schon in der nächsten Buchproduktion wäre). Vielleicht September dann.
Liebe Grüße, Elke
Ja, Holnis ist immer mal einen Ausflug wert. Hin und wieder bin ich spontan hier und lass Hund und Kind(er) einfach mal laufen.
Übrigens liegen jede Menge Ziegelsteine an den Uferbereichen im Wasser. Denn hier gab es, wie an der gesamten gegenüberliegenden dänischen Küste entlang der Förde, eine Ziegelei. Heute erinnert nur noch die Villa des ehemaligen Fabrikbesitzers und ein kleiner Stapel Ziegel auf einer Wiese an diese Zeiten. Auf jeden Fall lohnenswert, wenn man sich damit beschäftigen will, ist ein Besuch im Ziegelmuseum Catherinaminde auf dem Weg nach Sonderborg. Luftlinie nur wenige Kilometer.
Lieber Gruß an die Nordsee.
Kai
Lieber Kai,
jetzt bin ich wieder zurück aus Düsseldorf und habe Zeit für Holnis. :-) Das mit den Ziegelsteinen ist mir gar nicht aufgefallen, interessant! Manchmal sind es genau diese Details, die etwas über einen Ort erzählen. Danke für den Tipp!
Liebe Grüße, Elke
Absolut entzückend, und dann ist auch noch ein Naturschutzgebiet ums Eck. Holnis ist mal ein schöner Tip. In Glücksburg waren wir 2002 vom Ökojahr aus für eine Woche, und fand das Städtchen optisch und menschlich äußerst angenehm.
Einen angenehmen Start in die neue Woche wünsche ich Dir!
Liebe Grüße
Franziska
Liebe Franziska,
Da hast du recht, Glücksburg ist sehr nett. Und das Gute ist, dass es auch nicht weit von Holnis Drei ist. Man kann locker mit dem Rad bis Glücksburg, und kann von dort eine schicke Bootstour unternehmen. Vor allem aber möchte ich mal (zumindest in Teilen) den Ostseeküsten-Radweg entlang fahren. ;-)
Danke, ich wünsche dir auch eine schöne Woche!
Liebe Grüße, Elke