Wir sind nach Jütland und Südnorwegen an der Westküste Schwedens gelandet, Hund Julchen, Ente Emilia und ich. Nur noch wenige Tage bis Mittsommer. In Baståd wird es Zeit für eine Fika, und ich lasse mich im Café „Två Män“ nieder. Zufall oder Fügung? Es schmeckt jedenfalls vorzüglich, sowohl der Kaffee als auch das Törtchen. Nach dem Energieschub braucht auch die Ente neue Nahrung, und so halten wir an der nächsten Tankstelle.
„This is a cool car“, sagt die junge Frau, die mich gerade wegen des passenden Öls kompetent beraten hat. Leider hat das Nachfüllen Emilias Grundproblem nicht aus der Welt geschafft. Die Acadiane startet nach dem Tanken leider nicht. Wir lächeln uns an. „When it works!“, sagen wir quasi gleichzeitig. Ich muss sie und ihre Kollegin um Hilfe bitten.
Immer häufiger werden Emilias Aussetzer. Die Frauen von der Tankstelle sind stark: Vier Meter schieben sie das „Leichtgewicht“, und dann auch noch bergauf, da rattert der Motor wieder emsig vor sich hin, als sei nie etwas gewesen. Ich winke den freundlichen Helferinnen noch einmal aus dem Fenster heraus zu, bevor wir um die Ecke brausen.
Auf dem Weg zurück zum Campingplatz in Torekov sehe ich das Schild am Straßenrand: „Troentorps Toffelfabrik“. Ein Outlet für original schwedische Holzclogs. Ich mag diese lokalen Hersteller. Außerdem rettet mich die Entdeckung der Toffelfabrik, denn ich brauche dringend ein originelles Souvenir für das Patenkind.
Der alte Fischerort
Die Auswahl ist groß, zumindest für Erwachsene, und so erstehe ich gleich noch ein Paar für mich dazu. Nach dem Shopping wollen Julchen und ich eine ausgiebige Runde durch den Ort Torekov drehen, der unserem Campingplatz am nächsten ist. Wir können zu Fuß den Strand entlang und dann ein Stück durch den Wald laufen.
Abends zurück auf dem Campingplatz wirken die erleuchteten Zelte und Wohnwagen so gemütlich zwischen den Bäumen. Was sich wohl dahinter, dort drinnen, alles abspielt? Nur ein Teil des Geschehens ist sichtbar. Doch sind die Zelte und Wohnwagen dünnhäutiger als Häuser. Wie zarte Membranen, die kaum die Privatsphäre schützen.
Camping-Kosmos
Manchmal erweitet durch Zäune, Sichtschutzplanen, Vorgärten. Ich mag vor allem die Hängematten. Heute morgen habe ich bei einem älteren Paar in der ersten Reihe der Wohnwagen am Strand sogar Rosen auf dem Tisch erblickt. Es sind diese Details, die sprechen, die das Leben ausschmücken und Hinweise geben.
Die Menschen im Camping-Kosmos sind so verschieden wie im richtigen Leben. Eine scherzt locker im Gehen, eine strahlt, einer guckt weg, der nächste ist irgendwo anders mit den Gedanken. Einer grüßt zackig, eine hebt den Blick erst gar nicht. Eine geht zum Telefonieren ganz weit hinaus, bestimmt vermisst sie ihren Freund.
Die Sache mit den Kaninchen
Wir treffen einen jungen Pudel beim Gassi. „Sie hat zum ersten Mal ihre Periode“, meint Frauchen. Wir kennen beide den Begriff für Läufigkeit nicht auf Englisch. „Sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll.“ Erst ein Jahr alt, der Hund. Julchen läuft geschäftig weiter, nachdem das Begrüßungszeremoniell abgeschlossen ist. Sie hat Wichtigeres zu tun als Babysitting. Sie springt hoch, ein Kaninchen! Wir lachen. „Es gibt so viele hier“, meint die Schwedin.
Langsam bekomme ich das Gefühl, dass Kaninchen und Campingplätze eine untrennbare Einheit bilden. Und dass Julchens bevorzugte Urlaubsform in Zukunft Campen heißt. Die Kaninchen sind überall, auch in den Dünen, in den Parks, an allen Orten. Manchmal liegen sie faul im Schatten, können aber blitzschnell verschwinden, wenn es Not tut. Selbst die Karnickel-Kinder könnten ein Julchen mit Leichtigkeit austricksen. Genau das scheint sie zu reizen.
Unser Campingplatz liegt so ideal, dass wir gleich eine Nacht verlängert haben. Wie Julchen schon berichtete, sind wir von Wald umgeben, aber auch direkt am Wasser. Morgens, die ersten Schritte aus der Hütte, der intensive Duft des Meeres. Als würde der Wald, der uns umgibt, die Sinne schärfen.
Emilia will bleiben
Emilia kann unter Bäumen ruhen, will dann aber gar nicht mehr weg. Als wir nämlich am nächsten Tag in Richtung Malmö aufbrechen wollen, gibt sie keinen Ton von sich. Zum ersten Mal streikt sie schon, ohne überhaupt gearbeitet zu haben. Einer unserer Berliner Nachbarn vermutet, dass der Vergaser das Problem ist.
Die Familie hat eine weit größere Tour hinter sich, ein Sturm hat ihnen das Zelt auf den Lofoten weggerissen. Nur ein Grad wäre es dort in der Nacht gewesen. Auch in Nordschweden, Kiruna, war es recht kalt. Aber mit einem Gefährt wie meinem zu reisen, und dann so eine Tour, das sei ja mutig. Er schaut mich an, als wäre ich leicht verrückt.
Doch er hilft mir gerne mit den Starterkabeln und seinem Auto weiter, kurz darauf sind wir wieder unterwegs auf schwedischen Straßen. Ein bisschen aufgeregt bin ich schon, als wir uns Malmö nähern. Meinem Malmö! Zunächst suchen wir den Campingplatz auf der Halbinsel Falsterbo, die den Öresund von der Ostsee trennt. Julchen liebt den Strand und die Dünen sofort.
Mittsommerparty
Für Mittsommer sind wir streng genommen zu früh dran, aber Vorfeiern gilt auch. Eigentlich wäre der 21. Juni der korrekte Mittsommertag, doch es wird meist zwischen dem 20. und 26. gefeiert, vor allem am Freitag und Samstag. Um die Maistange zu tanzen und singen ist öffentlich, doch gegessen wird am liebsten im Familienkreis oder unter Freunden. Mit ihren Kindern haben Kicki und Björn bereits vorgefeiert, besagtes Wochenende werden sie bei Freunden in Dänemark verbringen.
Wir haben die beiden über die Initiative „A slice of Swedish Hospitality“ im Internet gefunden. Bereits im letzten Dezember kurz vor dem Lucia-Fest hatte ich auf der Seite eine Kaffeepause bei Privatleuten gebucht, eine schwedische Fika. Dieses Mal müssen wir nicht nach Västra Hamnen, sondern ins Kirseberg-Viertel im Nordosten der Stadt.
Kicki und Björn wollen uns ein typisches Mittsommermahl zubereiten. Neue Kartofffeln und Hering gehören in jedem Fall dazu, eingelegte Matjes, Käse, Radieschen. Außerdem machen die beiden uns mit selbstgemachten Köttbullar glücklich. Julchen kriegt die meisten ab, weil wir anderen zu viel reden. Und es ist klar wie Kloßbrühe, dass Juli an diesem Nachmittag der bravste Hund der Welt ist!
Unsere Gastgeber erzählen abwechselnd von den diversen Mittsommerbräuchen. So wird unter anderem viel Kräuterschnaps getrunken, und alle singen zünftige Schnapslieder. Björn meint, dass manch einer an besagtem Freitag sieben verschiedene Blumen pflückt und sie unters Kopfkissen legt, um dann den Mann oder die Frau seines Lebens zu erträumen.
In Kirseberg
Wir stoßen an und wünschen uns „Glad Midsommar!“ Da ich ja noch mit Emilia nach Falsterbo zurückfahren muss, entgehen mir die Schnapslieder inklusive Schnaps. Dieses Mal! Und auch der Tanz um die Mittsommerstange, die öffentliche Party im Malmöer Folkets park. Viele Schweden fahren eher aufs Land, und die Geschäfte bleiben rund um Mittsommer geschlossen.
Zum Nachtisch gibt es Erdbeeren aus Skåne mit Sahne, schließlich trinken wir noch einen Kaffee. Gemeinsam drehen wir eine Runde durch den alten Teil des Viertels, dessen pastellfarbene Häuser heute genauso begehrt wie teuer sind. Dieser Teil der Bebauung entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts, um dem Zuzug von Landarbeitern nachzukommen.
Kicki und Björn lieben die Beschaulichkeit, den dörflichen Charakter dieses Teils von Kirseberg. Dabei erreichen sie das Zentrum zu Fuß in zwanzig Minuten, und Malmö ist auch sehr gut auf Radfahrer eingerichtet. Vor drei Jahren erst ist das Paar nach Kirseberg gezogen, das Haus mit dem Garten hat ihnen so gut gefallen. Das Brausen der Stadt bleibt hier weitgehend ausgeblendet, und die Gegend hat Dorfcharakter: Die Nachbarn haben sich gleich vorgestellt.
Das Rezept
Wir verabschieden uns wie alte Freunde, tauschen Emails, und ich muss versprechen, mich beim nächsten Mal wieder zu melden. Das Gute ist: Der nächste Malmö-Besuch kommt bestimmt.
Und für alle, die wissen wollen, warum uns Kickis Köttbullar so gut geschmeckt haben, hier das Rezept im Original:
„MY MEATBALLS
400 gr minced pork
2 tablespoon (msk) mushed potatoes
1 teaspoon (tsk) salt
1 milliliter (krm) black pepper
Mix the ingredients together. Roll into balls and fry in butter or margarine until the meatballs are cooked through.
Guten Appetit!“
Oder wie man auf Schwedisch sagt: Smaklig måltid! Übrigens meint Kicki noch, dass es wohl ebenso viele Köttbullar-Rezepte wie Köche gibt.
Text und Fotos: Elke Weiler
Dieser Teil unseres Roadtrips #scandi43 – eine Reise durch Skandinavien mit Hund und Ente – wurde von Camping.se und Visit Sweden unterstützt.
Das wirkt echt idyllisch.
Aber besonders bin ich von dem blauen Truck angetan. Das Auto ist echt der Hammer.
Erinnert ein wenig an die gute alte Zeit. Echt schön.