Meine Reise auf die Insel begann mit einer Katastrophe: Ich verlor den Halt. Der Boden unter mir bebte und wackelte wie bei Erdbebenstärke 8! Mein ganzer Körper zitterte gewaltig, mein Herz pochte vor wilder Aufregung, als hätte ich mit meinem Freund Buddy stundenlang übers Watt getobt. Doch dem war leider nicht so.
Weder auf meine schicke Plüschtasche, das Knabberohr noch auf Madame konnte ich mich konzentrieren. Obschon sie wirklich versuchte, mir seelischen Beistand zu leisten. Es half alles nichts. Dieses Sylt musste schon eine Wucht sein, um derartige Qualen auf sich zu nehmen!
Ich meine: Wenn ihr euch mal so richtig durchschütteln lassen wollt, nehmt den IC nach Westerland. Ich empfehle das Fahrradabteil. Und wenn ihr im vorderen Bereich einsteigt, umso besser: Hier wird in Niebüll die Lok ausgetauscht – das gibt dann auch noch gewaltigen Lärm auf die zarten Lauscher.
Also meinen Lieben: Nie wieder steige ich in den IC Wackelpudding! Was heißt hier einsteigen… Monsieur hatte mich schlichtweg hineinverfrachtet und war dann selber flugs abgehauen! Er wusste Bescheid. Madame hingegen schien derartige Zustände gewohnt zu sein.
Nun ja, es war ja auch ihr Job, ständig irgendwie irgendwo unterwegs zu sein – so als Abenteuer-Journalistin. Zum Pferdehüten brauchte ich glücklicherweise keinen Schienenverkehr! Ich musste eine Lösung finden: Entweder blieb ich auf der Insel, oder wir nahmen den Wasserweg zurück. Ein zweites Mal würde ich nicht durch diese Hölle gehen. Das war klar wie Kloßbrühe.
Als ich meine verrückte Schwester Missy am Bahnhof traf, war alles andere vergessen. In der Blechhöhle ihrer Madame durften wir sogar auf dem Rücksitz herumtoben – so machte motorisierte Fortbewegung wieder Spaß! Ausnahmsweise guckte ich mal nicht aus dem Fenster, weil ich ständig Missy und Tantchen knutschen musste. So ein Wiedersehen war doch ein Fest!
Die Verwandschaft wirkte schon leicht gesättigt, doch ich war voller Energie. Endlich würde ich Missy das Meer zeigen. Mein Meer! Darüberhinaus musste ich ihr zeigen, wie man vernünftige Löcher im Sand buddelt. Richtige Krater. Dazu brauchte ich ein Minimum an Zeit. Bruchteile von Sekunden. Neben Knutschen und Pferdehüten war Buddeln nämlich meine Spezialität.
Man konnte nie genau wissen, ob man nicht einen Piratenschatz fand. Im Untergrund unseres heimischen Gartens war ich schon auf sehr interessante Dinge gestoßen. Leider misstrauten Madame et Monsieur meinen bauwissenschaftlichen Qualifikationen. Neuerdings denken sie sogar, dass unsere Terrasse aufgrund eines ausgeklügelten zweiteiligen Tunnelsystems von Einsturzgefahr bedroht ist. Ich halte das für völlig übertrieben.
Nun war ich also auf Sylt, und ehe wir uns versahen, tollten Missy und ich durch die Dünen. So steile Hügel hatte ich noch nie gesehen! Dagegen war selbst der Schobüller Wald ein Waisenkind, wo ich neuerdings meine Trainingsstunden absolvierte.
Neben uns taten sich Abgründe auf, und wir mussten uns ab und an vergewissern, ob unsere Madames noch nicht hinunter gepurzelt waren. Aber alles lief wie am Schnürchen – auf dem Dikjen Deel! Am ersten Strandhäuschen gab es sogar einen kühlen Drink für uns ultracoole Sylter Princess Dogs.
Der Strand gehörte uns! Nur eine Nackedei mit zwei Begleithunden stürzte sich in die Fluten, als wir auf der Bildfläche erschienen. Unsere Madames verloren lediglich ihre Schuhe im Sand, und wir dachten einen kurzen Moment daran, uns um die Sache zu kümmern.
Doch dann entschieden wir uns für die Weite und das Meer und die Freiheit. Ich war überrascht: Gab es doch auf Sylt gar keine Schafe am Strand! Nun. Seit meinem kleinen Disput mit einem unmanierlichen Husumer Wollknäuel hing mein Herz nicht mehr so an diesen laufenden Wölkchen. Sie regten sich immer so leicht auf.
Am Horizont tauchte eine Gruppe Pferde auf. Wenn sie näher kamen, könnte ich Missy auch ein bisschen ins Pferdehüten einweisen. Was tut man nicht alles für die Familie! Just in diesem Moment sprang Madame doch tatsächlich mit ihren Füßen ins Wasser. Missy und ich mussten hinterher, koste es, was es wolle. Unsere Pfoten wurden pitschepatschenass!
Missy erzählte mir, dass sie eigentlich eine Wasserratte war – allerdings durfte das Wasser nur kniehoch und nicht salzig sein. Schwaben, dachte ich nur. Die mit ihren Plätscherbächlein! Insgeheim bangte ich jedoch vor dem Moment, in dem Madame einmal ganz ins Meer hüpfen würde. Ich traute ihr das nach der Schlicknummer leider zu. (Ich berichtete.) Und dann würde mir nichts anderes übrig bleiben, als … Schwamm drüber!
Missy und ich hatten die optimale Buddelstelle entdeckt und legten los. Doch was tat mein Schwesterherz? Sie legte sich faul in das Loch hinein. Hallo! Ich war noch nicht fertig! Schließlich konnte ich das Loch schlecht unvollendet lassen, wenn wir diesen formidablen Strand wieder verließen. Und ich wusste, dass die Madames irgendwann ein nettes Lokal aufsuchen würde. So wollte es Manitou. Und das Loch in ihren Bäuchen.
Ein bisschen knurrte uns auch der Magen, so dass ich froh war, Missys Übergangshöhle ansteuern zu können. Dort warteten kulinarische Highlights erster Sahne auf uns, die glücklicherweise Missys Bodyguard Romeo noch nicht verputzt hatte. Ich vermutete stark, dass Missys Grandmadame ihn in Schach hielt. Er saß höchst artig auf dem Sofa und ließ sich frisieren, der kleine Großstadt-Beau!
Als wahre Entdeckernatur knüpfte ich mir jedes Zimmer einzeln vor. Vielleicht wartete ja noch irgendwo der Nachtisch? Leider verfügte Missys Sippe nicht über sieben Rennplüsche, die einem generös ihr Futter anboten. Ich kann die Gastfreundlichkeit dieser Vierbeiner gar nicht genug loben!
Aber die Missianer hatten auch so genug in der Küche. Vielleicht sollte ich mich missionieren lassen? Spätestens meine Magen-Darm-Probleme am nächsten Tag hätten mich davon abgehalten. Von Madame et Monsieur ganz zu schweigen.
Wir hingen noch ein wenig ab, was mit der vollen Wampe auch besser war. Ich verzog mich mit Missy und Romeo unter den Tisch in so einem Gourmettempel. Verlockende Düfte waberten durch den Äther. Um die hier wartenden Lutscher hätte ich mich nur zu gerne einzeln gekümmert, doch ich musste meine Energie für die Rückfahrt sparen.
Vielleicht mussten wir ja schwimmen? Fast. Es plätscherte munter vom Himmel, als Tantchen uns zur Bahn brachte. Sollte ich protestieren? Irgendwie war ich froh, wieder im Trockenen zu sein, als sich die Türen der NOB hinter uns schlossen.
Ja, die NOB. Weit entfernt von einem IC Wackelpudding! Wir hatten Platz, Komfort, Ruhe und eine gemächliche Überfahrt. Nicht einmal der Kontrolleur meckerte, wenn er hin und wieder über meine Wenigkeit klettern musste. So ein bisschen Sport schadete schließlich niemandem.
Wann fahren wir wieder nach Sylt?
Text: Julchen (nach Diktat zum Bahnhof gelaufen)
Fotos: Elke Weiler
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