Lerne ich Windsurfen?

Ein Versuch in Hvide Sande

Eigentlich bin ich nach Dänemark gereist, um Mittsommer zu feiern. Genauer gesagt, möchten wir beim sogenannten „Sankt Hans Aften“ am 23. Juni mitfeiern. Es ist der Vorabend des Johannistages.

Und nun dies. Wir sehen uns eine Surfschule an, doch es soll nicht dabei bleiben. „Wollt ihr surfen?“, fragt uns ganz lässig der braungebrannte Däne mittleren Alters. Den Neoprenanzug hat er noch an. Der Figur und der Gesichtsfarbe nach zu urteilen, steht er häufiger auf dem Brett.

„It’s so easy!“ Er sagt das mehrmals. Mit einer Betonung, die auch den allerletzten Zweifler überzeugen würde. Oder erst recht zum Grübeln brächte? Ich mache mir keinerlei Gedanken, denn ich bin ja nicht zum Windsurfen nach Hvide Sande gekommen.

Maximal das Stehpaddeln wollten wir ausprobieren, doch bei leichtem Regen und starkem Wind macht das heute gar keinen Sinn. Dann steht plötzlich Kitesurfer Ben vor uns, ein Österreicher. Nach seinen Erzählungen ist er schon viel in der Welt herumgekommen, nun aber seit ein paar Jahren in Dänemark ansässig und Mitbetreiber der „Surfschool Westwind Nord“.

Surfen oder nicht surfen
Ratlosigkeit unter Surfer Girls

„Wer will auf’s Surfbrett?“, fragt Ben ganz locker und blickt in ratlose Gesichter. Einzig Martin meldet sich spontan. Fotografen wie er gelten gemeinhin als hart im Nehmen. Das Fotografieren als solches grenzt ja oft an Extremsport. Mich wundert das also nicht.

„Aus dem Stehpaddeln wird heute nichts“, bestätigt Ben unsere Vorahnungen. Aber Windsurfen, das wäre drin. Julia blickt mich an: „Machst du auch mit?“ Sie ist der Überzeugung, dass drei Windsurfer auf den Fotos einfach mehr hermachen als einer.

Ich sehe ja eher drei Bretter im Wasser. Und was kurz obendrauf war, ist abgetaucht. Mit einem dickem Plumps. Aber dann höre ich mich Okay sagen. Okay? Bin ich wahnsinnig?

Rein in die Neoprenanzüge.
Es kann losgehen!

Ruckzuck haben wir (hoffentlich passende) Neoprenanzüge in der Hand und Bänder für die Brillen. Denn da ich heute morgen noch nicht wusste, was ich hier Wildes treiben würde, fehlen mir jetzt die Kontaktlinsen. Oder anders: Bei Regen trage ich Brille.

Um uns herum stehen, sitzen und wuseln coole Leute mit typischen Surfermützen, Röhrenjeans, Kapuzenjacken und niedrigen Lammfellboots herum. Macht ja auch Sinn, wenn man aus dem 15 Grad kalten Wasser steigt. Die Umkleidekabinen sind mit „Surfdudes“ und „Surfchicks“ beschriftet. Nun bin ich also auf dem besten Weg zum „Surfchick“.

Der „It’s so easy“-Mann fällt mir wieder ein. Warum nicht mal einem Wildfremden vertrauen? Mit Ach und Krach passe ich in den Neoprenanzug hinein. Julia schaut mich an und fragt ein sich ebenfalls umkleidendes Surfer Girl: „Kommt der Reißverschluss nach vorne oder hinten?“

Wie man das Segel beim Windsurfen hält.
Trockenübungen

Natürlich. Nach hinten. Also wieder herausschälen und neu hineinzwängen. An den Schultern ist der Anzug trotz allem recht groß. Anscheinend für breitschultrige Surfdudes gemacht.

Ich schaue an mir herunter, und die Unbekannte kommentiert ungefragt: „Kaschieren kann man damit nichts.“ Wir lachen. Es ist erst der Anfang von einer Stunde Lachen.

Draußen empfängt uns Surflehrer Kim. Mitte 30, braungebrannt und durchtrainiert, wer hätte es anders erwartet. Er kommt aus Fünen und hatte angeblich schon mit vier Jahren sein erstes eigenes Brett unter den Füßen.

Wie so ein Surfbrett gebaut ist.
Schon mit 4 auf dem Brett: Kim

Vermutlich müssen wir ein leichtes Aufwärmtraining absolvieren, denn wer weiß, was alles auf uns zukommt, da draußen im Ringkøbing Fjord. Angeblich soll er ja ideal für Anfänger sein, da nicht so wild wie die Nordsee.

Aber ich traue dem Braten nicht. Kim weiß, dass wir wenig Zeit haben, darum gibt es einen Surfkurs im Zeitraffertempo. „Hier ist die Finne, das ist das Schwert, das müsst ihr im Wasser ausklappen und vor dem Landgang wieder einklappen. Hier stellt ihr den einen Fuß hin, hier den anderen.“

Kim macht natürlich alles vor und sagt uns, dass wir den Wind beim Starten im Rücken haben sollten. Wir probieren den optimalen Stand an Land aus, dann schickt Kim uns auch schon aufs Wasser. Wirklich? Jetzt schon?, denke ich noch. Doch für philosophische Exkurse bleibt keine Zeit.

Haltung beim Windsurfen
Kriegt ihr das hin?

Ich stehe zum ersten Mal auf einem Surfbrett. „Nicht so wackeln“, meint Kim. Der hat gut reden! Kann ich denn was dafür, dass das Wasser die Konsistenz eines Wackelpuddings hat? Natürlich sieht es alles ganz easy aus, wenn der Meister auf dem Brett steht, das Segel hochzieht, losdüst, wendet, abspringt.

Nachdem ich ein paar Mal wenig elegant hintenüber ins Wasser geplumpst bin und mich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln und Gliedmaßen wieder auf das Brett gehievt habe, erklärt Kim mir, wie man schneller und geschickter hinaufgleitet. Klappt sogar.

Doch keiner von uns dreien schafft es, bei diesem Schnupperkurs wie eine Eins zu stehen. Wie ein Kim. Immer sehen wir ein bisschen verkrampft aus, nach vorne gebückt, den Hintern rausgestreckt. Nennen wir diesen Stil mal die „unkonventionelle Pfeilform“. Am Ende, fast von allen Kräften verlassen, sage ich zu Kim: „Einmal noch.“ Und plumpse ins Wasser.

Alle Bretter im Wasser
Geboren fürs Brett

„Noch einmal“, sagt Kim. Wieso haben Surfer eigentlich alle so kurze Namen?, denke ich. Ich kraxel‘ also aufs Brett und ziehe das Segel hoch, ganz sachte, denn es ist immer noch verdammt windig. Langsam gleite ich übers Wasser, fünf Meter, sechs, sieben, keine Ahnung wie weit.

Kim hat sich nicht vom Fleck gerührt und ruft: „Ich steh‘ immer noch hier!“ Das macht er aus rein psychologischen Gründen, damit ich mich freue. Diese Surflehrer sind doch mit allen Wassern gewaschen!

Natürlich freue ich mich wie ein Kleinkind. Am Ende ist meine Haut durchweicht, und die Haare sind noch nasser als beim Kajaking im norwegischen Nærøyfjord. Meinen Körper spüre ich überall, da sämtliche Muskeln einen erfolgreichen Einsatz melden.

Aller Anfang beim Windsurfen ist schwer.
Die einfache Pfeilformation

Wunderbar, denkt das frisch geborene Surfer Girl. Und hegt den verwegenen Wunsch, in Sankt Peter-Ording weiterzumachen. Geboren fürs Wasser.

Text und Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an Visit Vesterhavet, die diese Reise ermöglicht haben.

25 thoughts on “Lerne ich Windsurfen?

  1. Thihi, das muss soooo komisch gewesen sein! :D
    Aber ich bin total von den Socken, dass du das ernsthaft gewagt und durchgezogen hast! Ich hätte nach drei Klatschern ins Wasser aufgegeben… Respekt für das Surfer Girl!
    LG Claudi

    1. Danke, Claudi!

      Manchmal überrascht man sich selbst. Und plötzlich hat man ein neues Hobby… :-)

      Ich halte dich auf dem Laufenden! ;-)

      LG, Elke

    1. Liebe Jessi,

      das musst du bei Gelegenheit unbedingt machen! Ich werde noch einen Schnupperkurs hier in St. Peter machen und dann entscheiden, ob ich mit dem Anfängerkurs weitermache etc. Ich freu‘ mich schon so! LG, Elke

  2. Ich hab mal was grob Ähnliches probiert, aber der Name fällt mir nicht mehr ein. Man liegt dabei auf dem Brett und versucht so die Wellen gut zu erwischen. Mein Fazit war aber nicht die Fortsetzung bei nächster Gelegenheit, sondern dass das nichts für mich ist.

    Aber immerhin, den Neoprenanzug fand ich echt interessant. :-)

      1. Das hieß da irgendwie cooler. :-D Aber das könnte es schon treffen.

        Ich fand’s toll, dass das Wasser mit dem Anzug nicht so kalt war, obwohl man nass wurde. War eine ganz neue Erfahrung für mich. Den Anzug anzuziehen war allerdings eine Qual – vor allem mit Sonnenbrand!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert