In Friedrichshain, Berlin
Mein Apartment auf Zeit wirkt wie eine schmucke Studentenbude, aufgehübscht mit Retro-Details. Sogar ein alter Apple mit ausladendem Hinterteil steht auf dem Schreibtisch.
Ich schaue in einen Innenhof mit Baum, der Himmel ist blau, ein ruhiger Samstagmorgen. Keiner rüttelt heute an den Mülltonnen. Berlin schläft. Um 10 Uhr bin ich startklar, in dem Wissen, dass die coolen kleinen Cafés jetzt geöffnet haben. Und ich bin sicher, es gibt genug davon.
Denn um mich herum ist Friedrichshain. Nachdem ich die polyglotte Atmosphäre und die Croissants im „Aunt Benny“ bereits gecheckt habe, zieht es mich heute zum Boxhagener Platz. Jeder, der den Kiez kennt, wird dich dorthin schicken, zumal am Samstagmorgen Markt ist.
Das weiß ich von der Kollegin Madlen, die auf Puriy (was Reisen auf Quechua bedeutet) über ihre Trips bloggt, heimisch in Berlin. Sie wohnt quasi bei mir um die Ecke, was für ein Zufall. Doch am Wochenende zieht es sie hinaus aus der Stadt.
Brandenburg soll ja schön sein. Ich mache Pläne. Träume von Wanderungen mit Eseln und Hütten am Wasser. Oder eben zur Müritz, wie Madlen und Lars derzeit. Doch dann finde ich mich mitten in frisch erwachten Friedrichshain wieder, mit knurrendem Magen.
Ich laufe ein bisschen kreuz und quer, vorbei an Sahnehäubchen und Polstermöbeln wie in den 50ern. Friedrichshain ist eine Zeitreise, ganz Berlin voller Geschichten. Es gibt Meerschweinchen-Kunst in Schaufenstern und Boutiquen mit angesagter skandinavischer Couture.
Nicht Haute allerdings. Normal, nett, lässig. So wie der Kiez, der Lieblingskiez von Claudi, wenn sie nicht gerade um die Welt jettet und den Soundtrack der Ferne hört. Wer nicht auf Prenzlberg steht, liebt eben Friedrichshain.
Am Boxhagener Platz
Und ich, wenn ich ein Fahrrad hätte, würde ich mindestens zur Spree runter fahren und zum Oststrand. Denn Sonne ist ja genug. Ich lande endlich am gelobten Platz, dem Boxhagener – inmitten von Blumen.
Es dauert nicht lange, bis ich eines der coolen kleinen Cafés finde – so schmal, so intim wie meine Lieblingspizzeria „Simela“ beim Savignyplatz. Nierentische, Holztöne und der beste Milchkaffee seit langem. Soll ich ein Pastel de Nata nehmen oder ein Croissant?
Schon bald werde ich in Lissabon sein, und da es dort die besten Pasteis gibt, darf es heute ein Croissant sein. 3,70 für mein Frühstück im Café. Gestern habe ich in einer kleinen Kiezbäckerei ein Marzipancroissant und einen Kaffee geholt, für 1,80! Berlin ist Berlin.
Die Tische draußen stehen in der Sonne, doch ich mag diesen Nierentisch, auf den ein Lichtstrahl fällt. Die Tür ist weit auf, so ungewöhnlich warm ist es Anfang März. Normalerweise muss ich zu ITB-Zeiten hier frieren.
Nun duftet alles, vor allem auf dem Friedrichshainer Markt: Es gibt Köfte im Brot, Babystrampler, Waffeln, Pyjamas, Lakritze, Narzissen, Süßkartoffeln, Gürtel, Bergkräuertee und Espresso vom Wagen.
Ich laufe weiter durchs Viertel, vorbei an Bauschutt und Kinderwagen schiebenden Vätern. Der Kiez wirkt jung und alt zugleich, man duzt mich. Und so fühle ich mich irgendwie zugehörig, frisch angetraut. Genau wie im Hamburger Schanzenviertel. Die optimale Kiezbude habe ich ja eh schon gefunden.
Text und Fotos: Elke Weiler
Und noch ein paar Handybilder, weil’s so schön ist in Friedrichshain.
Schade das wir uns auf der ITB nicht getroffen haben, das müssen wir unbedingt nachholen liebe Elke. Die Fotos machen absolut Lust auf Berlin.
LG sendet Daniela
Ja, sehr schade, Daniela! Aber ich bin sicher, wir schaffen das noch! LG, Elke
Seufz! Mein Kiez wunderbar beschrieben. Da hast genau meine Samstagmorgen beschrieben, wenn ich mal nicht unterwegs bin. Ich denke immer wieder über’s Wegziehen nach, aber irgendwie kann ich nicht richtig von FH und diesem Kiez lassen. Danke, für den schönen Bericht (und die charmante Erwähnung)! LG von einem Friedrichshainer Dach, Madlen
Und ein Dach habt ihr auch noch, ihr Glücklichen! ;-) Mit Garten? Ich bin schon unterwegs! :-D
Mein altes Viertel. Einfach unbezahlbar – leider mittlerweile sowohl als auch. Schöner war es noch in den Neunzigern. Da war hier noch die Anarchie zu Hause.
Das haben mir auch einige Leute von Mitte erzählt, da ist die Verwandlung natürlich noch krasser. Berlin in den 90ern muss der Hammer gewesen sein… Ich hab‘ was verpasst!
Genau nach meinem Geschmack und noch eine Ecken mehr, die auf meinen siebten Besuch in Berlin wartet ;) Mein Schwerpunkt vom letzten Wochenende war Neukölln und Kreuzberg – das tolle an Berlin ist ja, dass jedes Kiez (der, die oder das Kiez?) einen ganz eigenen Charakter hat.
Dann bin ich schon gespannt auf deine Berichte, denn Kreuzberg und Neukölln stehen noch auf meiner Liste. :-)
Genau dorthin zieht es mich jeden Samstag, wenn ich daheim bin…nächstes Mal den Kaffee und das Crossaint auf dem Boxi besorgen und damit in die Sonne setzen. Der Kaffeeverkäufer (Passenger) Mittig an der Südachse macht den BESTEN Kaffee der Welt, wirklich!
Oststrand und Strandgut haben Ende des Sommers 2012 ihre Tore zim letzten Mal geschlossen. An ihrer Stelle entstehen jetzt „schicke“ und sicher für jeden Berliner unbezahlbare Eigentumswohnungen. (Darum dreht sich im letzten Winter die Demo für den Erhalt der East side Gallery.)
Nach Deinem Bericht und den schönen Bildern freue ich mich gleich noch mehr aufs Heimkommen nach fast 3 Monaten Südostasien!
Dann werde ich nächstes Mal den Kaffee auf dem Markt probieren müssen. ;-) Das ist aber jammerschade, dass es den Oststrand nicht mehr gibt. Und das Yaam? Gleiches Schicksal?
Der Spruch von Mark Twain ist irgendwie so 100% passend zum Bild.
Und mir wiederum gefällt das gemalte Schaaf, sieht irgendwie süss aus :)
Nicht zu vergessen: Das Glücksschwein! :) Schon lustig…
Als Berlinerin kann ich nur sagen: Gut getroffen. Da hast du genau die richtige Stimmung eingefangen … in Wort und Bild.
Großes Kompliment, danke dir!!!