Sieben Uhr morgens, doch kein Mucks ertönte vom Oberdeck. So bellte ich kurz, aber bestimmt. Die Sonne schien, und es war an der Zeit, in den Tag zu starten! Die Hühner warteten auf Freiheit und Futter, und auch mein Magen konnte bald eine Kleinigkeit vertragen. Außerdem schätzte ich geregelte Abläufe. Durch seinen zuverlässigsten Wecker zumindest halb erwacht, trottete Monsieur die Treppe herunter und murmelte etwas vor sich hin. Keine Ahnung.
Ich dehnte und streckte mich, es konnte losgehen! Gerade wollte ich ein aufmunterndes Bellen hinterher schicken, da stoppte Monsieur mich mit einem leisen Zischlaut. Brav wartete ich, bis er seine Siebensachen zusammen hatte. Julchen ratzte noch auf der Couch, Madame schien in einem ähnlichen Zustand am Oberdeck zu verweilen. Ein bisschen müde war ich auch, vielleicht legte ich mich im Garten noch mal aufs Ohr, während Monsieur zu den Hühnern ging?
Was mir nie so recht einleuchtete: Wieso wurde dem Gackervieh, wie Julchen die Hennen nannte, zuerst das Frühstück aufgetischt? Weil sie die größten Frühaufsteher unter der Sonne waren? Weil sie Eier legten? Oder hatten die Hennen etwa das Regiment übernommen? Hafrún hatte ja sogar schon als Gastautorin geglänzt. Kurzentschlossen begleitete ich Monsieur doch bei der Arbeit. Man konnte nie wissen, welche Gefahren auf der anderen Seite lauerten. Hopsende Kühe? Impertinente Schafe? Ich würde sie allesamt verbellen, wenn sie zu nah kamen.
Alles ruhig drüben. Natürlich waren die Hennen aufgeregt, im Frühling kamen sie nie früh genug aus dem Hochsicherheitstrakt ihres Anwesens heraus und taten so, als seien sie schon halb verhungert. Abends waren sie gerne mal die Letzten, die zu Bett gingen, sah man von Madame et Monsieur ab. Die reinsten Partyhühner. Überhaupt ein sehr spezielles Volk. Wenn ich manchmal morgens im Garten chillte, wurde ich durch lautes Gegacker aus meinen Tagträumen gerissen. Anfangs war ich wegen des Geschreis noch beunruhigt, doch mit der Zeit gewöhnt man sich an fast alles. Auch an die Rituale des Gackerviehs.
Jedenfalls hatte ich meinen Frieden mit ihnen geschlossen, sie gehörten zum Rudel. Bei Problemen bot ich ihnen meinen persönlichen Schutz an. Natürlich nur, wenn ich gerade disponibel war. Vormittags stand nämlich das große Gassi an. So richtig happy machte es mich, wenn ich dabei Sand unter den Pfoten spürte. Leider hatten wir wegen der Holden lange Zeit auf den Big Beach verzichten müssen. Julchen fühlte sich bisweilen akustisch dermaßen gestört, dass ich mich auch aufregte und zum Beispiel Tiefflieger zur Sau machte.
Am Strand waren es die Drachen, die durch die Gegend sausten und nach Julchens Ansicht eine potientielle Gefahr darstellten. Sie konnten ja runterkrachen. Und einer hatte es tatsächlich getan! Einmal. Ein Elefantengedächtnis wie Julchens vergaß so etwas nie. Zwar war ich jederzeit bereit, auf alle Arten von Gefahr zu reagieren, doch oft verstand ich meine Juli nicht. In jeder Beziehung. Doch nun, zu Zeiten der Großen Lutscherkrise, waren weder Zweibeiner noch Drachen am Strand zu sichten. Na gut, ein paar Lutscher schon. Doch sie verhielten sich unauffällig und ließen nichts nach oben steigen.
Julchen erlaubte uns also einen Besuch am Strand – ausgesprochen großzügig von ihr! Aus einem Besuch wurden zwei, denn es gefiel uns wunderbar. Ich wälzte mich im Sand, flitzte wie verrückt über den Hundeauslauf, traf ein paar Kollegen und liebte das Leben. Zu Hause kam dann die kalte Dusche: Blöderweise warf ich einen Blick auf Nasenbuch, so was konnte einem den ganzen Tag verderben!
Und was hatte die Holde dort verlauten lassen? Dass sie sich wieder verloben wollte! Ich fiel aus allen Wolken! Hatte ich irgendetwas nicht mitbekommen? Dann steckte sie mir, dass ich ja nicht auf Zwitschervögelchen sei und daher nie was mitkriegen würde. „Du kennst den Typen gar nicht!“, schmetterte ich ihr entgegen. Julchen gehörte zu jenen Frauen, die dich immer wieder sprachlos machen. Auch nach gefühlt 100 Jahren.
„Natürlich kenne ich ihn“, gab sie im Brustton der Überzeugung von sich. Es ginge um eine völkerverbindende Beziehung, ergo stünde mehr auf dem Spiel als die Zuneigung zweier Hunde zueinander. Man müsse Zeichen setzen in dieser Zeit. Eindeutige Zeichen. Die Liebe solle regieren. Über alle Grenzen hinweg. Darum wolle sie sich virtuell verloben und lerne auch schon Italienisch. Na gut, meinte sie noch, süß sei der Typ auch. Jung und knackig.
Das war zuviel für einen armen, einfachen Rüden. Ich nahm mir eine Auszeit und betrachtete die Gänseblümchen im Garten. Darüber war die Kirschblüte in vollem Gange, ein wogendes Meer in Weiß. Die Vögel zwitscherten, die Schafe mähten, die Kühe muhten. Monsieur schraubte, Madame hackte, die Hühner pickten im Garten herum. Die Welt war in Ordnung, eigentlich. Nur Mademoiselle Julie schien durchzudrehen.
Ich sollte mich vielleicht wieder auf meine Modelkarriere konzentrieren, die ich aus familiären Gründen nicht weiterverfolgt hatte. Oder sollte ich Bagnino an einem italienischen Strand werden, wenn Julchen zum neuen Schwiegerrudel auswandern würde? Monsieur schüttelte den Kopf. Er gab Julchens neuer Liebe nicht lang. War es nur der Frühling?
Text: Janni (nach Diktat seine Agentin kontaktiert)
Fotos: Elke Weiler
Hallo Janni, du bist ein super Model, setze doch deine Karriere fort, du hast das Talent, ein Star zu werden, und Julchen würde das imponieren!
Danke, Grandmadame! Vielleicht hast du recht. Aber Julchen scheint ziemlich verliebt in diesen Italiener zu sein…
Ein dickes, sonniges Schmunzeln! Das gibt sich wieder, lieber Janni. Führe Deine Modelkarriere fort, das Leben ist zu schön, um es wegen heftiger Verliebtheit der Angebeten? nicht zu genießen!
Herzliche Grüße,
die unfreiwillige Lutscherin Ôo
Danke, das hilft! Ich war ja auch mal mit Julchen verlobt, aber es hat nicht geklappt. Vermutlich, weil wir zusammen wohnen. Früher hab ich jedes Mal die Motten gekriegt, wenn sie mit einem anderen Hund geflirtet hat. Aber bald werde ich 8, in Lutscherjahren 56, da spüre ich immer öfter dieses Ding called Gelassenheit. :-D
Happy Dinner wünsche ich schon mal!
Janni
Liebster Janni, ich muss dich leider enttäuschen …die Sache mit Julchen und mir ist nicht einfach ein Flirt im Internet. Keine Frühlingsgefühle, die sich mit der sommerlichen Hitze des Südens verflüchtigen. Julchen hat mit ihrem Charme, ihrer Stimme und ihrer unglaublichen Energie mein cuore erobert. È stato un colpo di fulmine!!! Janni, Du bist ein echt dufter Typ und ich denke, du würdest als bagnino una strage di femmine machen. Der nordischen Typ kommt hier mega an! Auch einer Karriere als Fotomodell steht sicherlich nichts im Wege. Gerne stellen ich dir Gemma vor. Eine heiße Nummer, sage ich dir. Südliches Temperament und viele Schafe bringt sie mit. Ich aber habe mein Herz an Julchen verloren!! *seufz*. Sobald ich an den Schreibtisch kann, bereite ich eine Überraschung für sie vor… Lieber Janni, ich hoffe, wir werden trotz allen Mädels vielleicht gute Kumpels …Un bacio appassionato a Julchen. Jack
Amore mio!
Lass Italienisch unsere Geheimsprache sein! Ich lerne schon ganz fleißig bei Madame. Wir müssen noch soviel besprechen, aber jetzt gibt es gerade Abendessen, bei dir auch? Ich bin so froh, dass du jetzt auf Twitter bist! So können wir alles leichter vorbereiten für unseren großen Verlobungstag!
Un millione di baci,
Julchen
Hi Jack,
ich kapier nur jedes dritte Wort, aber ich glaube, du bist ein cooler Typ! Ist Gemma ein Schaf? Ich mag gerne ganz liebe, zartbesaitete Wesen, mit denen man gemütlich zusammen Grabenwässerle trinken kann und die einen vielleicht auch mal an ihren Napf lassen, verstehst du?
Julchen rennt gerade wie eine Furie hinter den Höllenmaschinen her, das macht mich immer völlig fertig (Zunge aus dem Hals).
Ja, ich würde dich gerne noch komplett beschnuppern, damit ich meine Juli in guten Pfoten weiß. Aber du machst einen ganz patenten Eindruck. Lass dich nicht aus der Ruhe bringen! Du musst stark sein für ein Julchen, sehr stark…
Bis bald, Großer!
Der Jannimann