Die Masseria San Domenico
“Kakteen!” Der Texaner lacht. “Wieso gibt es in Apulien Kakteen?” Dabei ist alles ganz klar: Apulien ist das Land ohne Wasser. Das Land der Millionen Olivenbäume. Kapernsträuche und Kakteen. Feigen-, Mandel- und Zitronenbäume.
Das Land der roten Erde und des Kalksteins, mit dessen Hilfe die Feuchtigkeit auf den Feldern gehalten wird. Und das Land der Masserie, ehemalige Großbauernhöfe mit Geschichte wie San Domenico. Dessen älteste Mauern datieren auf das 14. Jahrhundert zurück, damals als Wachturm genutzt. In regenreichen Monaten scheinen die Kakteen in der Tat wie Exoten, Importe aus der Wüste. Zumindest aus texanischer Sicht. Und im November regnet es auch in Apulien schon mal.
Die Masseria San Domenico ragt mit ihren weißen Sandsteinwänden und klaren geometrischen Formen aus einem Meer von Olivenbäumen hervor, hier in der Nähe des Meeres, in der Nähe des kleinen Örtchens Torre Canne.
Ich schreite über das vom Regen ausgewaschene alte Pflaster und lasse mich vom Duft der weißen Blüten an den Zitronenbäumen betören. Reife Früchte hängen dazwischen. Um mich herum Palmen, Rosmarinsträucher, Rosenbeete, Feigenbäume. Eine Oase, die Masseria. Und ein Ort der Stille, oder wie es beschwingt auf Italienisch heißt: „serenità“. Das trifft es weitaus besser, denn es handelt sich um eine heitere, entspannende Ruhe.
Die Masserie sind für Apulien so typisch wie die Trulli. Beides wird heute größtenteils touristisch genutzt. Sind die Zipfelmützen-Häuser eher klein, bieten die Masserie als ehemalige burgähnliche Großbauernhöfe genug Platz und werden zu originellen Bed & Breakfasts, Hotels oder Agriturismi umfunktioniert.
Spa im Großbauernhof
Neben dem großen Außenpool blubbert und sprudelt es, Nebelschwaden steigen aus dem Whirlpool hoch. Doch es ist zu frisch für ein Bad, und jeden Moment kann es wieder regnen. Also gehe ich lieber spazieren, verliere mich in diesen kilometerweiten Olivenhainen. Rundherum nichts als Vögelgezwitscher.
Zurück zur Masseria. “Hier kommen Leute her, die den Kopf freikriegen wollen”, weiß die Physiotherapeutin im Spa von San Domenico. Ich hake nach, während sie meinen Rücken bearbeitet. Klar, VIPs sind auch darunter, aber darüber spricht man hier nicht. Nicht offiziell. Und irgendwie scheint es außer mir auch niemanden zu interessieren.
Selbst wenn die Masseria voll belegt ist, macht sich das nicht bemerkbar: Zu weitläufig ist das alles, und die „serenità“ überall. Sie gehört zum alten Gemäuer wie die jahrhundertealten Ölbäume. Mit ihren knorrigen Stämmen, von der Natur geformt wie von den Händen eines begnadeten Bildhauers.
Es ist Zeit für andere Genüsse, denke ich. Für Apuliens Küchenschätze, für frischen Fisch, Orecchiette, die typischen Öhrchennudeln, mit Cime di rapa, den Blättern von wildem Brokkoli. Für Mus aus dicken Bohnen mit Zwiebeln. Gegrilltes Kaninchen mit Rosmarinkartoffeln.
Für Käse wie Burrata, Ricotta oder Canestrato und das famose Brot aus Altamura mit seiner knusprigen Kruste. Dazu ein Gläschen Rosso Primitivo, der nicht zu schwer ist – und das Leben ist ein Bummel im Olivenhain.
Text und Fotos: Elke Weiler
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