Flensburgs Rote Straße in der südlichen Altstadt ist alles andere als die Reeperbahn der Fördestadt. Vielmehr erinnern die kleinen Läden und Hinterhöfe noch an vergangene Zeiten als Handwerker- und Handelsstraße. Auch wenn die Farbe Rot hier häufig anzutreffen ist: Als eine der ältesten Straßen der Stadt trägt sie noch das altdeutsche Wort für Rodung – nämlich „Rude“ – im Namen.
Durch das alte Stadttor, das „Rote Tor“ gelangte man einst in den Wald sowie auf den Ochsenweg, der die Halbinsel Jütland mit dem Festland verband. So zogen noch vor 200 Jahren Bauern und Händler über die Rote Straße und nutzten die sogenannten Ausspannhöfe mit ihren Speichergebäuden, Pferdeboxen und Gaststätten für einen Deal oder eine Pause.
Auch heute wird hier, etwa im Roten Hof, wieder relaxt und kulinarisch aufgetankt. Und „Güterumschlag“ findet in den zahlreichen Boutiquen und Kunsthandwerkerläden des Viertels ebenfalls statt, wenn auch keine Rinder mehr verhökert oder Pferde ausgespannt werden.
Der Rote Hof
Also lassen wir uns im Roten Hof an der Roten Straße nieder und probieren, ganz stilecht, die hier kreierte Rumcreme. Schmeckt wie nordisches Tiramisu, nur ein bisschen stärker alkoholisiert. Apropos Hochprozentiges: Gleich um die Ecke gibt es übrigens auch eine Rummanufaktur, ganz wie es sich für eine historische Rumstadt gehört. Und auch hier wird im alten Kaufmannshof aufgetischt, egal ob zum Herbst mit Zwiebelkuchen und Federweißem oder zum Grillabend mit Wein und Rum.
Folgt man der Spur des karibischen Goldes und geht über die Große Straße Richtung Speicherlinie, findet man in der Nähe des ehemaligen Westindienspeichers, einem Warenlager von 1789, einen kleinen Laden mit weiteren Artikeln zum Thema, etwa Rum-Trüffelcreme.
Von den gut 200 Rumproduzenten zu Hochzeiten ist die Zahl in Flensburg auf zwei gesunken. Näheres über die alte Traditon erfährt der Interessierte im einzigen Rummuseum Deutschlands an der Schiffbrücke – im Keller des Schifffahrtmuseums im ehemaligen Zollpackhaus. Doch leider nicht vor Herbst 2011, da das Gebäude zur Zeit wegen Umbauarbeiten geschlossen ist.
Blick gen Osten
Wir sind inzwischen am Wasser gelandet und genießen die Aussicht auf das ansteigende Ostufer. An der südlichsten Spitze der Flensburger Förde wird heute zwar weder Zuckerrohr noch Rum umgeschlagen, wohl aber Massengüter wie Kohle und Holz, ein Stück weiter oben, im industriellen Hafenteil.
Vor unserer Nase schaukeln Yachten und Jollen im Wasser, und ans Westufer locken die historischen Segel- und Dampfschiffe des Museumshafens. Und Dänemark rückt in greifbare Nähe: Beliebt sind die Schiffsausflüge vom nahen Glücksburg hin zu den Ochseninseln.
Text und Fotos: Elke Weiler