Eigentlich bin ich kein Typ für Roadtrips. Stundenlanges Fahren macht mich schläfrig, außerdem bleibe ich lieber länger an einem Ort. Aber wie definiert sich ein Roadtrip überhaupt? Als motorisierte Reise über eine weitere Strecke?
Angeblich legte Bertha Benz im Jahre 1888 den ersten Roadtrip der Geschichte auf, als sie sich den Benz Patent-Motorwagen Nr. 3 schnappte, ihre beiden Söhne einpackte, und von Mannheim nach Pforzheim tuckerte. Drei Tage später zurück, insgesamt 194 Kilometer.
Vor mir liegen über 3000. An der dänischen Küste entlang bis Hirtshals, dann mit der Fähre nach Norwegen. In Südnorwegen einen Abstecher ins Landesinnere, ansonsten die Küste hinauf bis Sandefjord. Mit der Fähre nach Strömstad und in Westschweden hinunter bis Malmö.
Reisefieber
Die letzten Tage unseres Roadtrips sind Sønderjylland gewidmet. Schaffen wir das alles in der veranschlagten Zeit von zweieinhalb Wochen? Schafft eine über 30 Jahre alte Acadiane diese Strecke? Eigentlich ist Emilia schuld an allem. Denn es macht allein glücklich, mit der Ente zu fahren. Zu schaukeln.
Doch ich bin am Tag der Abfahrt ungefähr so aufgeregt wie Janni vor jedem größeren Gassi. Auch wenn ich nicht laut belle oder sämtliche Versuche des Frisierens und Ankleidens in ein lustiges Spiel mit Hopsen und Wälzen verwandeln will. Mit jeder Faser spüre ich, wie das Herz rast. Der Körper ist in Aufruhr. Klingt wie eine Szene aus einem kitschigen Liebesroman. Der Moment vor der finalen Liebesszene. Unser Start.
Abschied am Strand
Zum Glück ist Julchen mit von der Partie. Einmal den Plüsch kraulen und schon ist alle Nervosität verflogen. Wir starten nicht gerade unter Optimalbedingungen. Emilia kam auf den allerletzten Drücker aus der Werkstatt, weil es Probleme mit der Lieferung von Ersatzteilen gegeben hatte. Meine Matratze wurde ebenfalls erst am letzten Werktag vor der Abreise geliefert. Den Zeltaufbau habe ich einmal kurz ausprobiert.
Mehr ging nicht, meine linke Hand war nach vier Wochen Schiene immer noch halb steif. Aber ich will los. Bei bestem Wetter düsen wir sonntags morgens in Richtung Rømø, feiern Abschied mit Freunden am endlosen Strand. Beschließen, bald wieder zu kommen, weil es so schön ist. Rømø, die Insel nördlich von Sylt, die über einen Autodamm vom Festland zu erreichen ist.
Freiheit, Fähre, Fanø
Meer zu beiden Seiten. Ich tanke noch, viel passt in so einen Ententank nicht hinein, aber bis zur nächsten Insel reicht’s dicke. Die erste Etappe unseres Roadtrips geht nach Fanø. Das Lampenfieber ist verflogen, frei und ungebunden fühle ich mich plötzlich. Mir ist nach Singen zumute. Ein Radio hat Emilia leider nicht, man könnte es aufgrund ihrer Eigengeräusche eh kaum hören.
„Wie oft fahren die Fähren?“, hatten sie mich gefragt. Ich weiß es nicht. Aber ich bin sicher, dass es eine für uns geben wird.
Kaum, dass wir in Esbjerg ankommen und den Hafen erreichen, sehe ich die Fähre, die zwischen dem Festland und Fanø hin und her pendelt. Die schräg stehende Sonne hat immer noch Kraft, als wir ablegen. Eine Viertelstunde auf dem Wasser, die viel zu schnell vergeht. Julchen und ich steigen kurz aus dem Auto und sehen zum Industriehafen Esbjergs hinüber, der greifbar nah bleibt.
Für die erste Nacht beziehen wir ein Bed & Breakfast ohne Breakfast mitten in Nordby, gar nicht weit vom Anleger entfernt. Lone vom B & B Galeasen empfängt uns. Beziehungsweise komplementiert sie mich erst einmal aus ihrem Wohnhaus hinaus, um mich vor dem gemütlich wirkenden Hund im Hintergrund zu schützen.
Dann sieht sie Julchen und versteht, dass wir die neuen Gäste sind, die die Rezeption gesucht haben. Wir dürfen in das alte Häuschen, das direkt an Lones anschließt. Mit Vorgarten und Klonschnacktür, wie man in Nordfriesland sagt, wenn sich die obere Hälfte gesondert öffnen lässt. Mit einer Küche, einem winzigen Duschbad und einem schönen, großen Bett. Nostalgie innen wie außen.
Pizza im Garten
Erschöpft vom Sonne, Strand und Fahrt suchen wir uns ein Restaurant, dass nicht nur geöffnet, sondern auch Platz hat. Scheinbar ein Problem in der Vorsaison. Doch auf Nachfrage empfiehlt man uns das „Aroma“. Mediterrane Kost und sehr nette Leute. Ich darf Julchen mit hinein nehmen, wir finden ein nettes Eckchen im Garten.
Fanø hat etwas von einer Puppenstubenidylle. Ein Kleinod. Der beste Ort, die Ruhe der Natur zu genießen, durch die Gassen von Sonderhø oder Nordby zu wandeln oder einfach am 16 Kilometer langen Strand zu sein. Auf Robbensafari zu gehen. Fanø hat dieses gewisse Etwas, das die kleinen Inseln des Wattenmeers auszeichnet, genau wie die nordfriesischen Halligen. Dieses Geliebte, Gehegte, Gepflegte. Feste, Tänze, Trachten und Traditionen.
Ort der Seefahrer
Gerade in Sønderho spürt man viel von der Geschichte der einst stolzen Seefahrerstadt. Als wir am Montagmorgen dort auf der Matte stehen und den auf dem Weg liegenden Hundewald leider nicht gefunden haben, sind nur wenige Menschen auf der Straße. Ich frage eine ältere Frau nach einem Café, doch sie schüttelt den Kopf. Montags wäre das schwierig, zumindest um diese Uhrzeit.
Wir kehren zurück nach Nordby und finden an einer Straßenecke schräg gegenüber des Anlegers eine Art Kiosk. Zumindest Toast und Kaffee bieten sie hier zum Frühstück. Und wo sich gestern noch Schwimmer bei abnehmender Flut im Wasser tummelten, wo sich nachher eine Sandbank gebildet hat, die zwei Robben zum Chillen diente, nimmt die Nordsee nun alles ein. So wandelbar, das Watt.
Komplimente, Komplimente
Fanø ist Balsam für die Seele. War es. Bis Julchen kam. Noch aufgewühlt von den Bikerlawinen auf Rømø, lässt sie auch auf Fanø keinen lautstarken Verweis für Motorräder und Mopeds aus. Glücklicherweise gibt es hier wesentlich weniger zu tun. Und irgendwie scheinen die Einheimischen und Gäste den wuseligen Hund nicht ganz ernst zu nehmen, der sich über knatternde Zweiräder empört.
Im Gegenteil, immer wieder erntet der Hund Komplimente, immer wieder werfen sie ihr verzückte Blicke zu. Auch am Abend zuvor im „Aroma“, wo man ihr den Wassernapf herantrug und sie am liebsten adoptiert hätte. Hunde sind Türöffner, doch sie können auch das Gegenteil sein. Aber dazu später mehr. Wir müssen weiter, nach Henne, an einen Ort in den Dünen…
Text und Fotos: Elke Weiler
Mit Dank an Sydvestjylland, die den ersten Teil unseres Roadtrips unterstützt haben.
Klasse. Ich hab schon so viel Gutes über Fanö gehört. Hier einmal mehr… Freue mich schon auf Henne Strand. Und den ganzen Rest. Ein toller Trip. Ich bin gespannt. Liebe Grüße, Stefanie
Danke, liebe Stefanie! Fanø würde dir gefallen, und du kannst quasi „in der Nähe bleiben“. :-) Falls ihr mal hinfahrt, macht die Robbensafari mit Marco (siehe Link). Sehr charmant. Habe ich jetzt mit Julchen (aus Gründen) nicht gemacht. ;-) Liebe Grüße nach Hamburg!
Wow, Ihr habt mit Fanö Euren Emilia-Roadtrip angefangen! Fanö ist die Insel meiner Kindersommer. Wegen der guten Salz-Meerluft fuhren meine Eltern mit uns Dreien hierher, als es noch nicht einmal ein Turistbureau in Nordby gab. Die Liebe zu Fanö, dem endlos langen Sandstrand und den Dünen mit teils versteckten Bunkern brachte uns, später mit Hund, viele Familiensommer immer wieder her. Das Auto zählen an der Fähre in Esbjerg gehörte genauso zum Urlaub wie das Gamle Daws-Abschiedseis mit viel Skum am Hafen-Kiosk, bei dem ihr gefrühstückt habt. Die Urlaube im Ferienhaus gehören zu den Geschichten, die Familie zusammenschweisst. Bleibende Erinnerung: Ein Schultertuch in den Fanöer-Trachtenfarben, gekauft in Fischerdörfchen Sonderho…
Das sind ja tolle Erinnerungen, Sabine! Wow, sagt auch Julchen. Seitdem hat sich bestimmt einiges geändert. Aber die wichtigsten Sachen sind vermutlich noch wie damals! :-)
Seit 30 Jahren jedes Jahr da – best Island eva ❤️
Das ist so gut wie eingebürgert! :-)