Ha! Ihren ersten Versuch, sich in die Büsche zu schlagen, konnte ich vereiteln. Dank meines stets hellwachen Hüteinstinkts.
Auf der schönen Halbinsel Eiderstedt galt ich nämlich schon als Global Hüterin, nahm ich mich doch gerne allem an, was sich bewegte: der Pferde, Kühe, Schafe, Katzen und Hasen. Der Radlutscher sowie Inlineskater. Nicht zu vergessen der Höllenmaschinen!
Und jetzt also auch entrückter Kollegen im Hormonrausch. Auf dem Festland. Dabei verfolgten Bobby und Lena bei unserem Treffen am Husumer Dockkoog eine durchtriebene Strategie: Man bescheinigte sich zunächst tiefstes Desinteresse. Um sich dann in einem unbemerkten Moment aus dem Staub zu machen.
Aber das Duo fatal hatte nicht mit Superjulchen gerechnet! Ich sah, hörte und roch alles. Damit die beiden Herzchen sich nicht hoffnungslos in jener fiebrigen Ekstase verloren, versuchte ich ihre Aufmerksamkeit mit sämtlichen Mitteln auf mich zu lenken.
Also bellte, hüpfte, sprang und buddelte ich – aus therapeutischen Gründen, wenn ihr so wollt. Keine Reaktion. „Wollt ihr denn ewig und drei Tage jener rauschenden Leidenschaft frönen, ihr Lustmolche?“, erkundigte ich mich Shakespeare-like. Ich langweilte mich ein bisschen.
Doch seitens der Akteure, kleine Kulturbanausen, die längst den Draht zur Umwelt gekappt hatten, hieß die Antwort uneingeschränkt Ja. Man sagte es mir durch die Blume, vielmehr durch unbeeindrucktes Weitermachen.
Also kaprizierte ich mich auf die zur Verfügung stehenden Lutscher und die herrliche Umgebung. Der Wind strich mir durch den Plüsch, das Meer klatschte gegen die Kante des immergrünen Strands. Wir hatten Flut – und was für eine!
Schon länger war ich meiner alten Heimat ferngeblieben, Erinnerungen an schöne Zeiten kamen hoch. Das Gute am Dockkoog war auch, dass die Occupy-Bewegung mit ihren Slogan blökenden Schafen noch nicht bis hier vorgedrungen war. Als Hund konnte man sich noch frei und unbeschwert bewegen.
Doch tags darauf erlebten wir auf Eiderstedt eine Überraschung: Die Wollknäuel-Aktivisten hatten den Everschop über Nacht geräumt und das Gebiet für Normalsterbliche wieder freigegeben.
Und dann geschah es… ein Wunder! Mein Herz hüpfte wie verrückt! Ich sah ihn sofort und verlor keine Sekunde Zeit. Nicht einen Bruchteil. Schneller als der Wind raste ich auf Emil zu.
Es haute meinen Verlobten schier um. Und mich gleich mit. Alles drehte sich, und wir vergaßen die Welt um uns herum. Knutschten, tanzten, tobten und bissen uns zärtlich in den Plüsch. Wir entdeckten den Everschop und seine Möglichkeiten neu.
Madame war nicht so ganz damit einverstanden, dass ich einwandfreies Vogelaas mit mir herumtrug. Wenn ich es schon nicht mitnehmen durfte und so, wälzte ich mich wenigstens noch mal darin. Emil verstand mich wie immer ohne Worte. Er wollte auch mal.
Natürlich erzählte ich ihm brühwarm von meinen obskuren Erlebnissen am Dockkoog. Doch derartige Handlungsweisen überraschten meinen Verlobten nicht. Er hatte so etwas selbst schon mal irgendwo beobachtet, wenn auch nicht in dieser ausgeprägten Erscheinungsform.
Letztendlich gab er mir zu verstehen, dass es ihn wenig kratzte. Und auch Madame ließ mal wieder die Rheinländerin heraushängen und meinte: Jeder Jeck ist anders. Aber hatten Lena und Bobby denn Karneval?
Wir schon. Und Frühling. Und Sturm. Und alles. Emil und ich tobten wie verrückt über Deiche, Fennen, Watt und durch den Hafen. Der Wind schob unsere Madames fast weg, aber dieses Mal konnte ich mich um nicht um alles und jeden kümmern.
Ich nahm mir Emil-Urlaub. Wisst ihr: Ich hatte mir das einfach verdient.
Text: Julchen (nach Diktat ins Koma gefallen und von Hochzeit geträumt)
Fotos: Elke Weiler
One thought on “Skandal am Dockkoog”