Auf nach Schweden

Es ist schon dunkel, viel zu früh, als wir ablegen. Die „Passat“, der legendäre Viermastbark im Hafen von Travemünde, der Leuchtturm, der Strand, viel zu dunkel. Regen prasselt aufs Außendeck, nur unter den Rettungsbooten sind wir halbwegs geschützt. Blitze zucken am Himmel, doch das Drama spielt sich anderswo ab, in der Ferne.

Lieber suche ich wieder das trockene Innere der Fähre auf, das soziale Epizentrum, den Bauch. Wo sich alle Passagiere treffen, Trucker wie Urlauber. Wo sich Rezeption, Restaurant und Panorama-Bar befinden. Deck 7. Sicherheitshinweise flackern über den Bildschirm. Die Ostsee wäre nicht tief, hat uns ein Mitglied der Crew verraten, hier, auf der Strecke zwischen Travemünde und Trelleborg. Die sogenannte Kadetrinne führt durch die Mecklenburger Bucht, vorbei an den dänischen Inseln.

Sie gilt als relativ steilwandig und bedeutet daher eine Herausforderung. Trotzdem ist sie recht befahren, vor allem von Frachtschiffen. Wir befinden uns auf einem sogenannten RoPax-Schiff, wobei Ro für Roll on / Roll off von Frachtgut steht, und Pax für Passagiere. Wer die Fahrrinne trotz aller Warnungen verlässt, läuft schnell in Gefahr, sein Schiff auf Sand zu setzen.

Draußen nur Regen

Doch die Chance, die darin liegt, ist das geringe Risiko zu sinken. So müssen die Passagiere den Ernstfall an Bord gar nicht erst üben. Stattdessen widmen wir uns ausgiebig dem Buffet, laufen emsig zwischen Vorspeisen, warm gestellten Hauptgerichten, Käsesorten und Poffertjes hin und her. Während Emilia auf Deck 5 übernachtet. Allein unter Horden von Trucks und „normalen“ Autos.

Mit dem Kran an Bord

Ich muss an das denken, was sie uns über die Anfänge des Fährtourismus in den 60er Jahren erzählt haben. Als die PKWs und LKWs noch nicht bequem an Bord fahren konnten, sondern mit einem Kran verfrachtet wurden. Zum Glück muss ich Emilia nicht bei einer solchen Schwebeübung zusehen! Eine Ente im Anflug auf Schweden.

Bereit für Schweden

Nun steht sie ganz vorne, auf dem Rückweg sogar halb im Freien. Dicht an dicht die ruhende Blechlawine, die sich in Trelleborg aus dem offenen Mund der Fähre ergießen und im Fährhafen auf gekennzeichneten Wegen im Schritttempo gen Autobahn wälzen wird. Nur die Wenigsten werden in Trelleborg bleiben.

Als wir überpünktlich nach sieben Uhr am Ziel anlegen, tut es mir fast leid. Ich mag Fähren, Post- und Segelschiffe, Hausboote. Vom Schwung der Wellen in den Schlaf gewogen zu werden. Doch in der kurzen Nacht macht sich die Ostsee kaum bemerkbar. Vielmehr ist es das Stottern des Schiffes, das für Bewegung sorgt auf diesem scheinbar wellenlosen Meer.

Zimmer mit Aussicht

Es gehorcht mehr dem Rhythmus der Motoren als dem des Meeres. Ich starte einen Versuch zu lesen, unterbrochen von der Müdigkeit. Und doch ist der Schlaf kurz, zu ungewohnt die Umgebung, zu früh der Morgen, zu hell. Die Sonne ist wieder zurück, und Schweden schon sichtbar. Wozu also schlafen?

Stau an Deck 5

Auf dem Außendeck weht ein kühler Wind, die Feuchtigkeit der Nacht auf dem Boden, auf dem Mobiliar. Ein kurzes Frühstück, dann wird es Zeit. Ich zwänge mich mitsamt Koffer durch die Passagiere an Deck 5. Warum stehen sie draußen? Warten mit ihrem Gepäck? Verstopfen die schmalen Gänge? Ein älterer Mann sagt zu mir: „Da kommen Sie jetzt nicht durch!“ Eine Attitüde, die unsere mitreisende Soziologin Ariane von „Heldenwetter“ als „Mansplaining“ definiert.

Es bedeutet so viel wie: Ein Mann denkt, er weiß mehr als eine Frau in einer bestimmten Situation, hat aber keine Ahnung. Der Erklärer nimmt zwar seinen Koffer und sich zur Seite, als ich seine Aussage Lügen strafe und mir den Weg zu Emilia bahne. Im Allgemeinen schätze ich Höflichkeit und eine gewisse Flexibilität bei Mitmenschen. Vor allem auf Reisen.

Auf dem Sonnendeck

Man stelle sich die gleiche Szene etwa so vor: „Guten Morgen!“ (Er, strahlend.) „Oh, Sie möchten vorbei?“ (Er, sogleich seinen Koffer anhebend.) „Voilà! Und noch eine schöne Reise!“ Natürlich würde ich das zu kontern wissen. Mit einem strahlenden Lächeln und einem freundlichen Danke quittieren. Das Leben kann so einfach sein. Könnte.

Malmö! Endlich wieder entenmäßig durch den Norden knattern. Dieses Mal habe ich Julchen schweren Herzens zu Hause zurückgelassen, der Hund hat im letzten Jahr mit Emilia und mir das perfekte Trio des Roadtrips #scandi43 geformt: Skandinavien für 3.

Ein kleiner Roadtrip durch Südschweden

Wir „flogen“ mit der weltbesten Reiseente über Jütland, Südnorwegen und Westschweden. Dieses Mal beschränke ich mich auf Skåne, den schönen Süden Schwedens und werde neben bekannten Orten wie meinem geliebten Malmö auch Lund und den Söderåsen Nationalpark entdecken. Wandern! Radfahren! Ein anderes Kaltbadehaus testen! Aber zu all dem später mehr.

Sonne am Morgen

Eines ist gewiss: Als ich nach Tagen voller Erlebnisse wieder an Bord fahre, als ich dem Sonnenuntergang auf dem Außendeck in Trelleborg zusehe, habe ich längst einen Vorgeschmack auf Sommer bekommen. Und der ist in Schweden einfach wunderbar.

Text und Fotos: Elke Weiler

Mit Dank an TT-Line, die zu dieser Reise eingeladen haben und auch Kombinationen von Überfahrten mit Citytrips nach Malmö, Kopenhagen und Lund anbieten. Ich war an Bord der „Nils Holgersson“.

Fährhafen Trelleborg
Warten auf Action
Was für ein Schiff: die Passat in Travemünde
Bald geht es weiter…

Zum Weiterlesen: Malmö im Sommer sowie über die Kunst des Kaltbadens in Schweden.

12 thoughts on “Auf nach Schweden

    1. Ja, das stimmt! Außerdem mag ich die Geschwindigkeit, beziehungsweise die Langsamkeit. Bei längeren Strecken (Göteborg oder Oslo) ist es wunderbar, draußen zu sitzen und stundenlang aufs Meer zu schauen. Liebe Grüße! Elke

  1. Hallo Elke, unsere Autos haben eine Nacht gemeinsam im Parkhaus in Lund verbracht. Morgens bei der Abreise ist mir erst Dein schönes Auto aufgefallen und dann hat mich sein Tatoo „meerblog“ neugierig gemacht.
    Sehr schön, ich könnte soo viele Kommentare abgeben !
    Wir haben in diesem Jahr zum vierten Mal 4Tage in Skåne verbracht und freuen uns schon auf das nächste Jahr . Liebe Grüße aus Hamburg
    Karin

      1. Die erste Tour war abends von Travemünde los , morgens in Trelleborg und abends wieder retour
        Da dachte ich noch was hat mein Mann da bloß gebucht!
        Das war aber so schön , im nächsten Jahr nochmal und letztes Jahr mit Übernachtung in Malmö , nun Lund und nächstes Jahr doch wieder Malmö. Mit kleinen Abweichungen sieht es dann so aus: Smygehamn dann die Info in Ystad sehr gut, selbst wenn geschlossen sind draußen noch jede Menge Unterlagen zugänglich. Dann an der Küste weiter immer weiter bis Kåseberga dort Ales Stenar besuchen und unten in der Fischräucherei einkaufen (immer zu viel) vielleicht im Kaffee noch etwas hängen bleiben und den schönen Töpferwaren von argilla widerstehen. Entweder irgendwo an der Küste oder im Stenshuvud Nationalpark Picknicken. Dann vielleicht über Sjöbo durchs Land zurück. So oder ähnlich machen wir das und dann natürlich einen Tag in Malmö. Ich könnte noch viel berichten aber das sprengt dann wohl doch den Rahmen.

        1. Danke dir, Karin! Den Stenshuvud Nationalpark kenne ich auch noch nicht, und picknicken ist immer top! Was gibt’s denn in Sjöbö Schönes? Und kennst du schon den Söderåsen Nationalpark? Ich werde bald darüber berichten. ;-) LG; Elke

          1. Sjöbo war nur als Orientierung gedacht, es ist immer eine Strecke an der Küste und eine im Land, aber immer gut und ohne Hast an einem Tag zu machen . Söderåsen NP kenne ich noch nicht und bin gespannt auf Deinen Bericht.

  2. Hallo,

    das klingt nach einer sehr interessanten Anreise (:
    Bin selber nur ein mal mit der Fähre gefahren, das war aber ein besonderes Erlebnis.
    Werde gleich auch mal deine anderen Schweden-Posts lesen, da ich dieses Jahr eine größere Reise dorthin geplant habe.

    Liebe Grüße, Nina

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