Als ich mit Ente Emilia von Trelleborg in Richtung Malmö düse, steigt die Vorfreude. Der Raps steht noch in voller Blüte, die Hügel so sanft, die Bauernhöfe nicht selten im typischen Falunrot – was für ein Kontrast. Dann die ersten Vorboten der Stadt: Beton, Hochhäuser, die alles dominierende, gedrehte Architektur des Turning Torso. Wie ein Fremdkörper, der mit seiner Bizarrerie kokettiert. Eine Skulptur, ein weißes, steil aufragendes Segel. Ein Symbol für das neue Malmö. Für das Viertel Västra Hamnen, das auf Nachhaltigkeit setzt.
Kaum eine andere Stadt ist so gut von oben identifizierbar wie Malmö. Die Brücke, der Öresund, der Turning Torso. Das schafft nur noch Paris mit dem Eiffelturm. Aber wir fliegen ja nicht. Wir erreichen die drittgrößte Stadt Schwedens von Süden kommend und suchen ein Parkhaus. Emilia hat Feierabend, weil man sich in Malmö am besten mit dem Rad fortbewegt. Und ich muss sie nun alle aufsuchen, meine Lieblingsorte in Malmö. Beginnen wir gleich kulinarisch.
10 Uhr | Die besten Zimtschnecken der Stadt habe ich bislang in der relativ neuen „Saluhall“ gegessen. Ein restaurierter Backsteinbau auf der Gibraltargalan 6, unweit des Konzertzentrums „Malmö Live“. Dort wandle ich durch die bunte Fresshalle und lasse mich bei der St. Jakobs Stenugnsbageri nieder – nicht ohne vorher Kaffee und Zimtschnecken bestellt zu haben. Im Prinzip könnte man sich den ganzen Tag durch die Stände der Saluhall schlemmen, doch das Meer ruft.
Im Kaltbadehaus
11 Uhr | Ich will baden. Und es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder lege ich mich an den Strand von Ribersborg und genieße die Aussicht auf die Öresundbrücke, Kopenhagen und den Turning Torso. Oder ich gehe schnurstracks ins Kaltbadehaus (Limhamnsvägen, Brygga 1). Ein mintgrüne Holzarchitektur auf Stelzen über dem Wasser, erreichbar über einen Steg. Saunieren und schwimmen, schwimmen und saunieren. Alles nackt, es existieren getrennte Bereiche für Männer und Frauen. Alles mit Blick auf die Öresundbrücke, besser geht es kaum. Der Eintritt? 65 Schwedische Kronen.
13 Uhr | Das Meer ist frisch, der Kreislauf auf Touren, der Appetit riesig! Also zurück ins Zentrum. In Malmö sind die Radwege fast so gut wie im gegenüberliegenden Kopenhagen. Ich steuere die Altstadt an, genauer gesagt die Hjulhamnsgatan 5. Mein Ziel ist das Restaurant „Johan P“. In Schweden isst man eher zeitig, so dass nach 13 Uhr schon wieder der eine oder andere Tisch in dem hochbeliebten Restaurant frei wird. Ich bestelle eine lokale Spezialität: gebratenen Hering mit Preiselbeeren und Kartoffelpüree. Köstlich! Heringe soll es hier übrigens im Mittelalter in einem solchen Überfluss gegeben haben, dass man sie mit Schöpfkellen ins Boot hieven konnte.
15 Uhr | A walk in the park… Wenn alles grünt und blüht, ist der Schlossgarten am Malmöhusvägen noch mal so schön. Und er bietet die beste Alternative zum Ribersborger Strand in Sachen Picknick. Aber erst einmal das Rad abstellen und ausgiebig spazieren gehen. Schon mal was von der schwedischen Freitagsgemütlichkeit gehört, der fredagsmys? Da wird nicht groß gekocht, lieber isst man Tacos und sitzt nett mit der Familie oder den Freunden zusammen.
Fredagsmys
Als ich durch den Park laufe, spüre ich jenes Freitagsfeeling. Im Sommer hält man sich zur Mys natürlich lieber draußen auf als vor dem Fernseher. Auf der Wiese oder im Café des Slottsträdgården, das allerdings nur bis 17 Uhr geöffnet hat. Gleich gegenüber vom Schloss im historischen Kommandanthuset schmeckt der Bio-Kaffee übrigens top! Auch diese Café schließt um 17 Uhr.
16 Uhr | Aber so lange bleibe ich nicht im Park. Manchmal lohnt es sich, eine Themenradtour zu unternehmen, um neue Ecken zu entdecken, Vorstellungen zu korrigieren, das Bild zu verfeinern. Über das Viertel Rosengård etwa. Als ich den Spuren eines der bekanntesten Persönlichkeiten der Stadt, des Fußballers Zlatan Ibrahimović, (siehe auch www.zturen.se) folge, führt mich der Weg automatisch zu den Anfängen. Ibrahimovic verbrachte seine Kindheit hier zwischen den Wohnsiedlungen der 60er und 70er Jahre.
In Rosengård
Doch wie ein Problemviertel wirkt es bei weitem nicht, eher idyllisch. Zlatan ist präsent, durch markanten Sprüche, auf Beton zitiert. Durch ein gestiftetes Fußballfeld, durch seine starke Persönlichkeit. Was blieb von den Krawallen 2008? Wie hoch ist die Arbeitslosigkeit heute? Auf dem Fußballplatz spielt niemand, bis wir kommen. Ein Trupp aus Jungen und Mädchen widmet sich lieber dem Volleyball. Sie strahlen uns an und sind neugierig, was wir dort so tun. Ringsherum eine Ruhe, die jede Sozialstudie Lügen straft.
18 Uhr | Chillen am Kanal vor der Fiskehamngatan, das neue Malmö im Rücken. Ich lege mich versuchsweise in den Sound. „Rubato – free flow“ ist eine Skulptur von Eva Hild, der Titel leitet sich aus der Musik her. So viel wie „frei im Tempo“ soll das heißen. Der perfekte Ansatz. Ein Stück weiter, an der Tyfongatan 1 im Studio-Hochhaus fahre ich hinauf zur Rooftop-Bar „grilljanne“. Was für eine grandiose Aussicht! Das alte Malmö auf der einen, das neue auf der anderen Seite.
In der Rooftop-Bar
Der Hafen. Das Meer. Die asiatischen Tapas schmecken vorzüglich. Zwischen jedem Gang husche ich nach draußen, mische mich unter die Einheimischen, fotografiere den Sonnenuntergang. Jedes Mal ist die Stimmung anders. Einmal stellt sich einer der glücklichen Bewohner von Västra Hamnen neben mich und spricht mich auf Schwedisch an. Wir philosophieren (auf Englisch) über die Wandlung Malmös. Wie er und seine Frau es genießen, schon früh morgens am Öresund entlangzulaufen.
Nach 21 Uhr | Ich muss dringend noch einmal zum Meer. An den Strand. Eine späte Radtour im Lichtschein der Laternen. Der Himmel so intensiv dunkelblau mit einem letzten Hauch Rosa. Der leuchtende Turning Torso. Ein Kreuzfahrtschiff auf dem Öresund. Es gibt keinen Weg mehr. So fahren wir eben querfeldein, es hat etwas Befreiendes. Ich stelle das Rad ab, es hat einen Platten. Losgelöst von allem laufe ich über die Wiese zum Sandstrand, stehe lange dort und denke:
Wie schön diese Stadt doch ist.
Text und Fotos: Elke Weiler
Mit Dank an Visit Sweden, Visit Malmö und TT-Line, die diese Reise unterstützt haben.
Hallo Elke,
ich hatte von Rosengård einen ähnlichen Eindruck wie du…sieht doch „idyllisch“ aus. Alles sehr sauber und grün. Das dachten Verwandte von meinem Freund auch, zogen dorthin, als sie eine bezahlbare Wohnung in Malmö suchten, wurden wenig später im eigenen Treppenhaus überfallen, in ihrer Wohnung gefesselt und geknebelt, die Wohnung ausgeraubt und am Leben sind sie wahrscheinlich noch, weil der Postbote am nächsten Tag hinter der Tür ein seltsames Wimmern hörte… Liest sich wie ein schlechter Roman, ist aber leider wahr :o). Dazu kenne drei Leute persönlich, die in Malmö überfallen worden sind… Es ist leider nicht alles gold, was glänzt…
Viele Grüße,
Heike // nordetrotter
Hallo Heike, das klingt wirklich schlimm, weißt du noch, wann das genau passiert ist? Mich würde wirklich interessieren, was sich seit 2009 (Studie) getan hat. Wie man die Probleme des Stadtteils angegangen ist. Wie hoch die Arbeitslosigkeit ist, beziehungsweise ob sie seit 2009 niedriger geworden ist. Ich habe mir Rosengård eben genau deswegen anders vorgestellt. Wesentlich trister, trostloser. Von Glanz und Gold hat keiner geredet, eher von Hoffnung. In Malmö hat sich in den letzten 10 Jahren so viel getan! Viele Grüße, Elke
Hallo Elke,
die meisten Fälle sind in der Tat ungefähr genau 10 Jahre her und ereigneten sich zu der Zeit, als ich in Lund studierte. Einer der mir bekannten Überfälle ereignete sich vor 2 Jahren (Kunde von mir auf der Durchreise nach Finnland).
Ich habe die Situation in den letzten Jahren nicht mehr so intensiv verfolgt, aber auch schon vor 10 Jahren gab es viele Initiativen und man hatte bereits sehr viel in Stadtteilsanierung investiert.
Viele Grüße,
Heike
Hallo Heike,
ich denke auch, dass es ganz wichtig ist, nicht nur in die Sanierung, sondern auch in die Schulen etc. zu investieren. Leider weiß ich auch nur sehr allgemein zu sagen, dass sowohl Lund als auch Malmö in eine nachhaltige Entwicklung investieren. Das betrifft viele Bereiche vom ökologischen Wohnungsbau bis hin zum Bio-Essen an Schulen. Aber ich werde versuchen, noch tiefer in die Materie einzusteigen und darüber berichten.
Viele Grüße!
Elke
Liebe Elke,
das klingt nach einem herrlichen Tag!
Ich hoffe, dass ich es bald auch mal nach Malmö schaffe. Vor ein paar Jahren wollte ich eigentlich auch schon dort hin, aber die Urlaubsdauer hat nur einen Flug gestattet. Leider, leider waren die Verbindungen schlecht, sodass ich schließlich nach Göteborg geflogen bin. Da ich aber auch immer schon nach Kopenhagen wollte, könnte ich die beiden Städte ja mal verbinden.
Viele Grüße
Silja
Liebe Silja,
Kopenhagen und Malmö bilden die perfekte Kombination! Inzwischen gibt es viele Kopenhagener, die in Malmö wohnen, weil es scheinbar günstiger ist. Ich fahre super gerne mit dem Öresundtåg über die Brücke. Was ich noch nicht geschafft habe: Zu dieser Insel zwischen den Städten zu kommen, ich glaube, dort hat auch die letzte Staffel der „Brücke“ geendet. Oder war es die vorletzte? :-)
Ich drücke dir die Daumen!
Viele Grüße, Elke
Sieht total gemütlich aus und das Meer, so spiegelglatt. Ist ja der Wahnsinn. Uns zieht es ja immer in die Ferne. Es wird wohl Zeit, dass wir auch mal etwas mehr in Europa und vom Norden sehen. Danke für die Inspiration. Jetzt schau ich mir gleich mal noch deinen anderen Bericht an, den „Warum ich Malmö mag“ :-)
Unbedingt! Und am besten auch noch den Artikel über das Kaltbadehaus („Als ich in den Öresund sprang“) – dann seid ihr gut gerüstet. :-D
Liebe Elke, wunderbare Erinnerungen an Malmö, Danke Dir. Ich mochte Malmö auch sehr, gerade wegen all dieser Gegensätze und der vielen inspirierenden Menschen dort. Die vielen Leckereien, die Du beschreibst, muss ich das nächste mal auch probieren. Auch in Rosengård tut sich eine Menge, aber die Idylle täuscht…
Danke dir, lieber Robert! Mölle kenne ich nur ansatzweise, vor allem wegen der Mäuse. ;-) Dort soll es auch die besten Falafel der Stadt geben, sagt ein Einheimischer, der es wissen muss. Danke auch für den Hinweis, das muss ich sofort lesen!
Hallo Elke,
dein Artikel über Malmö finde ich super. Zwar ist es bei mir schon etwas her, als ich das letzte Mal in Malmö war, aber die Erinnerungen bleiben. Schweden ist für mich trotzdem noch ein beliebter Reiseort, zu mal ich mit Freunden und Kollegen dort gerne an der Küste bin :)
Gruß
Patrick