Dieser Duft! Jedes Parfüm ein aufdringliches Witz gegen die Holunderblüte. Fast ist mir so, als wäre in diesem seltsamen Jahr alles intensiver, vor allem in der Natur. Vielleicht hat sich meine Wahrnehmung verändert, vielleicht hängt es mit dem neuen Leben zusammen, das weniger mit Reisen und dem Anderswo beschäftigt ist. Der Blick richtet sich mehr auf vermeintlich Bekanntes.
Obwohl ich nun schon zehn Jahre in Nordfriesland lebe, entdecke ich ständig Neues. Zum ersten Mal habe ich zwei Löffler in einem Feuchtgebiet auf Eiderstedt entdeckt, diese scheuen Wesen. Blendend weiß sind sie, ihr löffelartiger Schnabel und die Beine schwarz. Sie seihen das Wasser, indem sie den Kopf hin und her bewegen, den Löffel durchs Wasser ziehen.
Die Familie wächst, immer mehr Vögel und Pflanzen kenne ich mit Namen. Gestern habe ich zum Beispiel die zarte Vogel-Wicke im Garten entdeckt! Bei der Bestimmung lasse ich mir meist von patenten Handy-Apps helfen. Klar, manches vergisst man wieder, aber wenn wir auf Gassi-Gang sind, identifizieren wir neuerdings auch gerne die Dinge am Wegesrand. Oder erkennen sogar Vögel am Klang! Diesbezüglich kann ich mir allerdings nur Anfänger-Niveau attestieren. Mit den Pflanzen klappt es etwas besser.
My home is my garden
Was auch an der Arbeit draußen liegt. Nie haben wir soviel im Garten herumgewuselt wie in diesem Jahr, nie so viel Neues gepflanzt, nie so viele Samen ausgeworfen, die sich bitte bienenfreundlich entwickeln mögen. Wir haben ein Großprojekt in Angriff genommen, denn als wir durch den Hausbrand über ein Jahr nur selten vor Ort waren, wucherte das Grundstück auf der anderen Deichseite zu. Vor allem Reet machte sich breit. Genauso wie Holunder, Weißdorn, Esche, Weide, Silber-Pappel gehört das Reet zur flachen Landschaft und ist heute vor allem entlang der Entwässerungsgräben zu finden, die das Marschland durchziehen.
In diesem Frühsommer erscheint mir das Leben intensiver, obwohl ich mich weniger unterwegs bin. Mir ist, als bewegte ich mich langsamer, als würde ich gar langsamer denken. Als geschähe alles um mich herum in Zeitlupe. Als wüsste ich mehr und erinnerte mich besser.
Natürlich blüht der Holunder nicht leuchtender und duftet nicht stärker. Doch in diesem Jahr wirkt er noch betörender. Die Holunderblüte ist eine große Sache an der Küste. Endlich Sommer, so neu, so frisch, Obst und Gemüse im Werden. Salat, Spinat und Rucola durften wir bereits verkosten, die ersten allerbesten Erdbeeren sind rot.
Das Rezept
Von Holundersträuchern sind wir quasi umzingelt, das ist üblich hier im Norden. An einem sonnigen Morgen oder Mittag ernte ich gerne ein paar Dolden, um Holunderblütensirup zu machen. Alles ganz einfach: Ich schneide die Dolden ab, schüttele eventuell Insekten ab, aber vorsichtig, damit der Blütenstaub nicht wegschneit. In einer Schüssel setze ich etwa 1,4 Liter Wasser und ein Glas mit Bio-Rübenzucker aus dem Unverpackt-Laden an (Fassungsvermögen 0,5 Liter), denn dieser Zucker süßt stärker als andere Sorten, und ich mag den Sirup nicht gerne zähflüssig. Ich wasche eine Bio-Zitrone gut und gebe sie scheibchenweise dazu, ebenso den Saft von einer Limette oder Zitrone. Von den Dolden entferne ich die größeren Stängel und füge die Holunderblüten zu.
Das Ganze lasse ich drei Tage gut abgedeckt stehen und rühre es einmal täglich um. Am dritten Tag hat sich der Zucker aufgelöst. Ich platziere unsere Neuerwerbung, einen Nuss-Milch-Beutel aus Hanf, auf einem Sieb und filtere die Flüssigkeit in eine zweite Schüssel. Jetzt wird sie nur noch kurz aufgekocht und in sterile Flaschen abgefüllt.
Mit dem Sirup kommt man prima durch den Winter, denn der Holunder hat schleimlösende und antibakterielle sowie fiebersenkende und entspannende Eigenschaften. Mit heißem Wasser in der kalten Jahreszeit aufgefüllt oder als Hugo im Sommer mit Prosecco aufgegossen – schmeckt wunderbar! Und soll bei Bronchitis ebenso wie bei Schlafstörungen helfen.
Die Heilkraft des Holunders wurde wohl schon in der Antike genutzt. Und nicht nur wir Menschen erfreuen uns am Holunder, auch bei Insekten, Vögeln und Schmetterlingen ist der anspruchslose, robuste Strauch oder Baum beliebt. Er wächst im Schatten genauso wie in der prallen Sonne und kann gut mit viel Wind leben. Daher dient er hier oben auch als Küstenschutzgehölz.
In meinem Buch „52 Eskapaden von Sankt-Peter-Ording bis Sylt“ (beziehungsweise ab dem Frühjahr 2022 im Nachfolger „52 Eskapaden Nordsee Schleswig-Holstein“) geht es vornehmlich um Ausflüge in Nordfriesland und Dithmarschen, doch sollte ich auch das eine oder andere typische Rezept oder eine kleine Do-it-yourself-Idee vorstellen. Daher findet ihr eine kurze Anleitung für die beliebten Hollerküchlein im Buch. Und für die Ernte der schwarzen Früchte des „Sambucus nigra“ muss man natürlich genug Blüten am Baum lassen. Im Norden steht die Fliederbeersuppe nämlich hoch im Kurs. Ein Rezept dafür findet ihr bei meiner norddeutschen Bloggerkollegin Michaela auf „herzelieb“.
Nun aber ab ins Wasser. Im Juni kann man endlich baden, ohne in der noch frischen Nordsee zum Eiszapfen zu mutieren. Endlich ein bisschen länger drin bleiben. Richtig schwimmen. Beim vorletzten Mal habe ich unzählige blaue Mini-Quallen sichten können. Aber das ist eine andere Geschichte.
Text und Fotos: Elke Weiler
Liebe Elke, schön ist das bei Euch. Auch, wenn jetzt wieder die Wohnzimmer in Masse bei Euch vorbei rauschen.
Wir haben heute erst mal rüber gemacht:-) Man muss nur den richtigen Übergang kennen, dann bekommt man statt Stau sogar ein kleines Geschenk. Das war schon ein besonderes Gefühl, wieder in Dänemark zu sein.
Genießt den Garten.
Lieber Gruß
Kai
Lieber Kai,
wie schön, das kann ich mir vorstellen!!! Grüß mir Dänemark! :-)
Liebe Grüße,
Elke
Der Holunder-Blütensaft ist ein ein tolles Heilmittel aus der Natur, sollte man im Haus haben, besonders im Winter, wenn die Erkältungszeit naht, schmeckt aber auch gut als Aperitif.
So so, als Aperitif! :-)))
Von wegen so ein „Holler, eine Redensart bei uns, für Blödsinn.
Aber die Hollerstauden sind auch bei uns im Bergland eine willkommene Abwechslung am Speisetisch;
gebackene Hollerstrauben sind ein Gedicht…
So wie deine Zeilen!
Zirbelige Grüße :)
Dankeschön! :-)
Gebackene Hollerstrauben? Das sind die Dolden?
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
Elke