Und dann bin ich in Laboe gelandet. Letztes Jahr um diese Zeit, als ich für Buchrecherchen in ganz Schleswig-Holstein unterwegs war. Zu den Seen, den Flüssen, am Nord-Ostsee-Kanal, vor allem aber an den beiden Meeren. Und an der Förde. Laboe, mit Betonung auf dem Ö, klingt kapriziös und schick. Man ahnt zunächst nicht, was sich alles dahinter verbirgt.
Zwar ist es nicht mein erster Besuch an der Kieler Förde, doch nun habe ich etwas Zeit mitgebracht. Beim ersten Mal hat es nur für einen Quickie am Hafen gereicht, abends mit Beleuchtung, ein Besuch in einem Fischlokal. Bei jenem ersten Mal widmete ich mich vor allem dem nahen Passader See und ging von Kalifonien nach Brasilien, das geht tatsächlich hier, und nur hier.
Nun also Laboe pur. Mein Hotel liegt an der Förde, nur ein Parkplatz und die wenig befahrene Strandstraße trennen mich vom Beach. Der Blick aus dem Zimmer fällt aufs Wasser, aber auch auf ein U-Boot. Ein U-Boot?! Ums Eck ragt schon das Marinedenkmal in die Höhe, und während ich mir die Leute ringsherum so ansehe, überkommt mich ein Verdacht: Denkmal wie U-Boot scheinen vor allem bei männlichen Besuchern hoch im Kurs zu stehen. Bizarr das Mahnmal aus Klinkersteinen, das an den Fuß einer Parkbank erinnert, wenn auch leicht überdimensioniert.
Der Architekt Gustav Munzer, ein Schüler von Wilhelm Kreis, wollte mit den in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts fertiggestellten Marinedenkmals eine gen Himmel steigende Flamme symbolisieren. Ich finde, dass sich die Schwere des Materials und das Streben nach Dynamik etwas im Weg stehen, aber nun. Der expressionistische Turm erregt die Aufmerksamkeit an den sonst eher flach bebauten, grünen Fördeufern.
Am Ausgang der Förde
Wer schon einmal mit der Fähre von Kiel nach Oslo oder Göteborg gereist ist – beides mache ich oft und gerne, ich gebe das zu, dem ist das Denkmal aufgefallen, ein Fanal am Ende der Förde. Das Wahrzeichen von Laboe. Ein stelziger Abschiedsgruß, bevor es hinaus auf die Ostsee geht. Seit den 1990er Jahren gedenkt der Turm an die auf See Gebliebenen aller Nationen. Für eine friedliche Seefahrt auf freien Meeren soll er nun stehen.
Ich kehre ihm den Rücken zu, doch da steht noch dieses andere Ding: Wie ein ellipsenförmiger Fremdkörper liegt das U-Boot am Strand. Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde es hier aufgestellt, und erinnert an Krieg. Ich muss an rostende Bomben in der Ostsee denken. Nach Kriegsende hatte das U-Boot den Norwegern zur Küstenverteidigung und als Schulboot gedient. 1965 kam es als Geschenk zurück nach Deutschland und beherbergt heute ein technisches Museum.
Ich würde es gerne ein bisschen nach hinten schieben, weg vom Strand, doch es erscheint mir recht schwer. Also wende ich mich dem Wasser und dem Städtchen zu. Was für ein Kontrast! Ab in den Sand, Schuhe aus. Planlos laufe ich herum, nach links, nach rechts, im Kreis. Um den Treibsel herum, abgelaubtes Seegras und Algen, alles als Rohstoff nutzbar. In Kappeln macht jemand Kissenfüllungen daraus, siehe Strand-Manufaktur. Auf der Île d’Ouessant haben sie die zahlreich vorhandenen Algen früher auch landwirtschaftlich genutzt. Treibsel wird nun wieder als wertvolle Ressource erkannt.
Strandleben
Mitten in der Förde mache ich eine Gruppe von Kitesurfern aus. Akute Lernphase. Man steht, so scheint es, auf einer Sandbank neben den Boards, das Wasser leuchtet dort hellgrün. Am Strand hingegen wartet ein leeres Windsurfboard samt Segel auf den Besitzer. Ein Stück weiter nutzt jemand den Wind, um die Lenkung des Kites an Land zu lernen. Außer ein paar Enten und Kanadagänsen will gerade niemand ins Wasser steigen. Und irgendwie ist mir auch nicht nach Schwimmen zumute, obwohl das Wasser noch nicht stark abgekühlt ist.
Jogger ziehen an mir vorbei, doch die meisten Leute spazieren einfach die Wasserkante entlang oder haben es sich rund um die Strandkörbe gemütlich gemacht. Ich laufe an Beachvolleyball-Netzen vorbei, spiele mit den leise ausrollenden Wellen. Förde-Musik live. Kugelrund geschnittene Bäume säumen die Strandstraße – wie in einer Modellstadt. Gegenüber die dicken Pötte. Die Fähren, die immer Fernweh verursachen. Egal, ob du das letzte Mal vor einer Woche oder vor einem Jahr damit gefahren bist. Kreuzfahrt- und Containerschiffe, ein Schwarm von Seglern und ein paar Ausflugsboote – auf der Kieler Förde tobt der Bär.
Barfuß im Sand
Was zeitweise auch für Laboe gilt. Die Nähe zu Kiel mag Fluch oder Segen für die 5.000-Einwohner-Stadt sein, jedenfalls sind die etwa 16 Straßenkilometer eine ideale Entfernung für eine Radtour entlang der Förde. Oder man steigt gleich in den Wasserbus und lässt sich ans Ziel schaukeln. In diesem September bin ich fast so weit, stehe schon am Ticketschalter, bereit auf das nächste Schiff zu warten. Allein der Nebel blockiert die Aussicht.
Letztes Jahr laufe ich barfuß durch den Sand, die Sonne strahlt. Zwischen den Modellbäumen lugen die zur Förde ausgerichteten Villen an der Strandstraße hervor, dahinter der gepflegte Stadtkern. Hier und da strahlt Laboe eine gewisse Gediegenheit aus. Laboe, das Ostseebad, unmissverständlich. Dann fallen mir die Graffiti an den Mauern der Meerwasserschwimmhalle auf, der Beton, das bunte, beinahe urbane Laboe, als wäre es noch ein Stück von Kiel, sein verlängerter maritimer Arm. Vor allem der Hafen wird von prallem Leben dominiert, von Ausflüglern, dem Kommen und Gehen der Boote, dem Duft nach Fisch und Förde. „Laboe is fällich“, hat jemand auf den Beton gesprüht.
Tschüss, Tag!
Am Abend zieht die Stadt noch einen Trumpf aus dem Ärmel: Sonnenuntergang am Strand. Auf der gegenüberliegenden Seite verabschiedet sich der Feuerball, und die Leute genießen das Spektakel im Sand, auf der Hafenmauer oder im Strandcafé sitzend. Auch ich mische mich unter die Sonnenanbeter, die den Tag rituell verabschieden, nachdem ich auf der Terrasse eines ausgesprochen beliebten Fischlokals zu Abend gegessen habe.
Wenn die Luft gegen Abend abkühlt oder leichter Wind aufzieht, erfüllen die Strandmöbel ihren Zweck. Herbst und Frühjahr – nordische Kuschelkorbzeiten. Mein Blick fällt auf das Paar, das jetzt noch mitsamt Tassen und Thermoskanne und Decken in seinem Korb hockt und in den Himmel stiert. Wahrscheinlich würden sie dort sogar übernachten, gäbe es einen Schlafstrandkorb wie im benachbarten Heikendorf.
Ich ziehe weiter, zurück in Richtung Hotel. Doch an diesem Abend lohnt es sich, noch ein wenig draußen zu bleiben. Während die Schatten wachsen, trägt der Himmel dick auf. Tschüss, Sonne! Tschüss, Tag! Was für ein Farbspektakel, bevor bei einem krönenden Lila-Blau das Zepter an Mond und Sterne übergeben wird. An Universum. Und das U-Boot verschwindet im Dunkel der Nacht.
Text und Fotos: Elke Weiler
Einen Urlaub in Laboe könnte man planen und mal die Ostsee kennenlernen.
Laboe würde dir gefallen, glaube ich schon.