Sommer mit Schwalben

Klatschmohn

Als ich die Terrassentür am Morgen öffne, sitzen sie schon da. Von einem höheren Zweig schauen sie auf mich herab. Vermutlich, um mir zu sagen: „Moin! Und danke für die Gastfreundschaft!“

„Gerne“, antworte ich und meine das auch so. „Ihr seid immer herzlich willkommen.“

Zwar hat der Mann zu bedenken gegeben, dass der aktuell für den Nestbau ausgewählte Ort der Schwalben zu einer Veränderung der Wand darunter führen wird, aber zwei Advanced Landeier wie uns schreckt so eine Petitesse doch nicht ab! Wir freuen uns über die gefiederten Gäste, die jedes Jahr wiederkehren. Zumindest vermuten wir, dass es dieselben sind.

Die Schwalbenkinder im August

Tags darauf sehe ich Julchen in aller Seelenruhe unterhalb des Nests chillen. Dabei reagiert sie manchmal empfindlich auf Vögel, beziehungsweise ihren Gesang. Der Hund neigt dazu, bestimmte Ereignisse als Anschlag auf die Ohren zu bewerten. So werden mangels Alternativen unterwegs auch mal gerne Vögel zurechtgewiesen. Sind gerade keine am Himmel zu sichten, hüpft man eben übermütig einem Schmetterling hinterher. Sommer in Nordfriesland.

Frühsommerliebe

Der Juni war warm, doch hat er am Ende auch Regen gebracht, viel Regen auf einmal. So sind die Gräben Eiderstedts angeschwollen, und die Böden platzen nicht mehr auf vor Trockenheit. Oft waren wir schwimmen, doch hat sich das Wasser nach den letzten Tagen etwas abgekühlt. Auch hat der Frühsommer noch keine Quallen gebracht. Ich werde die Lage weiter beobachten und bei Gelegenheit die Unterwasserkamera einsetzen.

Unbemerkt hat sich der Juli angeschlichen, die Düfte explodieren und verdrängen den köstlichen der Holunderblüte. Neuer Sirup ist bereits gemacht! Gerade schwimmen wir wieder in Erdbeeren, happy. Marmelade sowie Erdbeerpüree für die Scones im Winter – alles fertig! Es gibt kaum etwas Genialeres im Winter, als zwischendurch kurz den Geschmack des Sommers zu kosten.

Denn die Zeit von Juni bis August ist einfach die wunderbarste im Jahr. Zumindest in Nordfriesland ist das so. Natürlich nur, weil es auch andere Jahreszeiten gibt, nur deswegen kann der Sommer sich besonders herausputzen. Der Mittsommer im Norden war übrigens mal wieder verregnet. Als könnte man nicht jede andere Nacht ebenso feiern und die langen Tage genießen!

Freiheit für die Füße. Schlick an den Füßen. Grüne Füße von Barfußlaufen auf der Wiese. Der Geruch frischer Wäsche im Garten. Getrocknete Wäsche, die nach Meer riecht. Schnelle Wetterwechsel. Drama-Wolken. Sommerregen. Nasse Kissen und Decken im Garten. Und dann dieses unbeschreibliche Gefühl, wenn du an einem Wolkenbruch seitlich vorbei radeln kannst. Einfach, weil die Richtung stimmt. Außer Atem.

In dieser besonderen Zeit freust du dich über Besuch, die Umarmung einer lange nicht getroffenen Freundin, über jedes Stück zurückgewonnener Freiheit. In dieser Zeit, deren Merkwürdigkeit kein Ende zu kennen scheint, habe ich zwar wieder außer Haus übernachtet, meinen Job wiederaufgenommen, jedoch den Rhythmus nicht gefunden. Über diese Geschichte und eine außergewöhnliche Behausung in Dithmarschen erzähle ich bald mehr.

Explosion der Farben

Der Sommer ist da, endlich auch Fortschritte bei der Impfung und dieses lange begehrte, neue Stück alter Normalität. Dennoch vermisse ich die volle Leichtigkeit. Delta steht vor der Tür, aber das ist es nicht allein. Eine Art von Verwirrtheit, ein Zustand zwischen dem Leben mit der Ausnahme und des Wartens und dem Wohlbefinden von vorher. Dabei erscheint mir der Sommer bunter denn je. Und das nicht nur, weil wir die zweite Hälfte des Chicken Hills vom Reet befreit und dicht mit Blumensamen bestückt haben.

An einem bestimmten Punkt sind die Farben und Formen explodiert, vor allem der Borretsch hat sich durchgesetzt. Und zu meiner Freude auch Kornblumen, Mohn, Dill und Kamille. Gerade der Duft von Kamille erinnert mich an die Sommer meiner Kindheit. Ans Blumensammeln am Rande von Ackerflächen. Ans Versteckspielen. An Tage im Freibad, hohe Luftfeuchtigkeit und den Geruch von Sonnencreme.

Feld- und Wiesenblumen
Sommer mit Kamille

Unglaublich das aktuelle Gesumme und Gebrumme auf dem Chicken Hill. Wir haben uns spontan zu viert auf der Grashälfte des Mini-Hügels niedergelassen. Mit dem Bewusstsein, ein Stück Fläche zu neuem Leben erweckt zu haben. Nicht nur für die Insekten, auch für uns.

Die Stachelbeeren entwickeln sich prächtig, die schwarzen Johannisbeeren auch, während die neueren Obstbäume eher langsam in die Gänge kommen. Aber sie dürfen das. Erst wachsen und erwachsen werden. Kein Problem, habe ich ihnen gesagt. Wir freuen uns über jede Kirsche und jeden Apfel. Eine Birne könnte in diesem Jahr auch drin sein.

Immer noch sind zwei unserer Hennen in Trance. Natürlich sind wir die Sache mit den Eiern und dem benötigten Hahn noch mal durchgegangen, aber Hildur und Ingibjörg bestehen darauf, weiter zu brüten. Dafür freuen wir uns, dass Askja wieder unter der Lebenden weilt und Gudny bei sämtlichen Eskapaden Gesellschaft leistet.

Tierisch gute Kommunikation

Der tierische Kommunikationsfluss funktioniert in alle Richtungen. So hörten wir während des Dinners wildes Hühnergeschrei, und der Mann ließ alles stehen und liegen, lief zu den Hennen, alarmiert. Währenddessen fühlte auch Janni sich bemüßigt, die Info aus dem Vorgarten weiterzugeben, wo er gerade chillte. Was war passiert? Gudny und Askja hatten sich aus den Augen verloren. Der Mann half, die beiden wieder zusammenzubringen.

Gestern hörte man von der anderen Seite des Gartens lautes Gegacker, als ein Motorrad vorbeisauste. Gleichzeitig schimpfte auch Julchen, vermutlich hat sie die Hennen mit ihrer Aversion angesteckt. Wir grinsten uns an. Julchens Einfluss kann sich niemand entziehen. Niemand. Und weil Sommer ist, bereiten der Hund und ich uns schon mal für die zweite Romanrunde vor. Auf zu neuen Recherchen, Ideen und noch mehr Normalität.

Hennen im Abendlicht
Happiness ist ein Sonnenbad am Abend.

Endlich Juli, und mir schwirrt immerzu dieses Lied von Natty im Kopf, „July“. Ich habe eine ganze Playlist zusammengestellt, für den Sommer am Meer. Songs mit Rhythmus und einer gewisser Schwerelosigkeit. Songs, leicht wie der Sommerwind. Manchmal überbordend wie der Sommer. Manchmal zartschmelzend wie der Feuerball im Meer.

Und vielleicht klappt es ja bald mit einem Konzert. Unter freiem Himmel. Draußen tanzen. Kino gucken. Ein nächtliches Bad mit Meeresleuchten. Pizza im Husumer Hafen. The best is yet to come, lieber Hochsommer. Ich will dir nichts vorschreiben. Aber ich denke, wir sind uns da einig.

Text und Fotos: Elke Weiler

Und hier geht es zu noch mehr Sommerliebe und wildem Landleben…

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