Idyllisch, friedlich, ruhig. So stellt man sich die kleinen Strände und Orte am Meeresarm der Ostsee am liebsten vor. Aber wie schnell kann die Schlei ihr Gesicht ändern, wenn Wind aufkommt. Dann fühlt sie sich fast so rau wie das Meer an. Ich bin zum wiederholten Mal in Arnis, das mir gleich zu Beginn meiner Zeit in Schleswig-Holstein ans Herz gelegt wurde. Und doch kommt es mir mit jedem Besuch anders vor. Als müsste es dann und wann aus der Idylle ausbrechen, die ihm so gerne auf den Leib geschrieben wird.
Von Schleimünde bis Schleswig reicht der Meeresarm über 42 Kilometer ins Land hinein, biegt, windet und krümmt sich wie ein Fluss, weitet sich an manchen Stellen wie ein See, bildet Noore aus. Wie ein Geschenk der Ostsee gilt die Schlei allen, die gerne am Wasser sind. Ein Stück Intimität fernab der Weite des Meeres, des Trubels und der prallvollen Strände im Sommer. Ein Stück heile Welt mit Rissen, denkt man kurz an den Plastik-Skandal von 2018.
Ich stehe am Ufer der Schlei, blicke auf das klare Wasser, das in der Sonne glitzert. Nie schmeckt der Meeresarm wirklich salzig, da mit Zuflüssen vermischt. Die Schlei entstand aus einer glazialen Rinne während der Weichsel-Eiszeit und misst im Durchschnitt etwa drei Meter Tiefe. Der Wind bläst über ihre Oberfläche, bringt sie in Bewegung. Stürmt es mal aus östlicher Richtung, kann der Wasserpegel um anderthalb Meter ansteigen.
Die kleinste Stadt
Insgesamt 16 Badestellen gibt es an der Schlei, und unter allen Orten ist Arnis ist der bekannteste. Gewiss, weil es sich werbewirksam als die kleinste Stadt Deutschlands bezeichnet. Außerdem verfügt es über eine kuriose Entstehungsgeschichte, und es lässt sich noch viel von seiner Eigenart in der Gegenwart ablesen. Da wäre die Lage auf der Landzunge, die in die Schlei hineinragt. Mal Halbinsel, dann Insel und nun wieder eine Halbinsel konzentriert sich Arnis darauf, seine maritime Vergangenheit zu betonen. Vielleicht lebt es stärker mit dem Wasser als andere Schleidörfer. Immer noch existieren Werften, immer noch schaukeln Fischerboote im Wasser, wo die Fähre nach Sundsacker ablegt. Und rund um die Halbinsel streckt sich ein Bootssteg neben dem anderen in die Schlei.
Arnis füllt seine Halbinsel aus, während sich die Schlei meist träge um sie herum bewegt. Darüberhinaus bezieht sich der Ort auf die Lange Straße, links und rechts flankiert von ebenso niedrigen wie niedlichen Häuser. Nur wenige gehen auf Arnis‘ Entstehungszeit im 17. und 18. Jahrhundert zurück, doch hielt man sich in der Folge an den „Dresscode“. Bei einigen sind noch die Standerker oder Utluchten zu finden, die wie ein Schaufenster aus dem Wohnzimmer zur Straße fungieren.
Klönbänke vor den Fassaden und nicht selten werden selbstgemachte Marmeladen, Bücher und Spielzeug zum Verkauf angeboten. Arnis ist so ein Ort, wie ihn Künstler und Kunsthandwerker lieben. Hübsch und verschlafen, vor allem im Winter. Wenn im Sommer die zahlreichen Radfahrer unterwegs sind, kommt etwas Leben in die Bude. Auch stellen sie das Gros der Passagiere auf der Fähre.
Inzwischen ist die Einwohnerzahl von Arnis auf unter 300 geschrumpft. Ich trinke einen Kaffee beim Bäcker, wo ich fast die einzige bin. Die meisten Besucher sitzen im oder am Fährhaus, bereit zum Weiterfahren. Auf dem Weg zum Strand komme ich an der Schifferkirche vorbei, zumindest in Teilen eines der ältesten Gebäude des Ortes. Das Haupthaus der Strandhalle weist noch auf die Fachwerkkünste der Gegend hin. Wegen der Offa-Quelle im Strandbereich machte man sich in den 20er Jahren Hoffnungen, Arnis als Kurbad zu etablieren.
Historische Aufnahmen von Badenden in der Schlei und Sonnenanbetern vor dem einstigen Umkleidehaus belegen: Knielange Badeanzüge und gar Mützen schienen damals beim Baden nicht zu stören. Sogar eine Wasserrutsche gab es. Heute spricht man von einer Naturbadestelle, und an Selbstbewusstsein mangelt es nicht. Bunte Schilder helfen bei der geografischen Orientierung, so liegt der legendäre Bondi Beach in Syndey 16.245 Kilometer entfernt, Camp’s Bay in Kapstadt immerhin 988. Auch der Sylter Ellenbogen hat es in die Hotlist geschafft.
Im Wasser ist aktuell niemand zu sehen, das Umkleidehaus wurde schon vor lange aufgegeben. Ein Vater zieht mit seinem Kind im Kajak die Schlei hinauf, der Wind bläst, Wellen rollen im Sand aus. Ausflügler, die picknicken oder radfahren, stoppen und genau hier am Strand innehalten. Auch dazu ist er da, dieses übersichtliche Halbrund aus Sand, Wiese und steinernen Wellenbrechern. Segelboote am Horizont, die sich stark dem Wind beugen, als würden sie gleich kippen. Ich spaziere bis zum äußersten Punkt, wo eine Bank unter einer Silberweide quasi auf mich wartet, die ihre Arme großzügig ausbreitet. Meine erklärte Lieblingsstelle in Arnis. Ein kleiner Hund, der mit Frauchen auf dem Rad hierher kam, teilt meine Ansicht. Im Schatten lässt es sich aushalten. Stunden kann man hier verbringen, den Segelbooten zuschauen, den Geräuschen der Wellen lauschen. Die Schlei wirkt aufgekratzt. Lebendig. Zuviel Idylle schadet dem Image.
Text und Fotos: Elke Weiler
Service
Über 100 Meter erstreckt sich die Badestelle von Arnis an der Schlei. Es gibt keine Badeaufsicht, aber einen Spielplatz. Und Boule spielen ist auch möglich. Wer keine eigenen Kugeln hat, kann in der “Strandhalle 54“ welche auszuleihen. Baden ist übrigens nach Starkregen nicht zu empfehlen, denn dann wächst die Keimkonzentration im Wasser. Ansonsten sind bei der Überprüfung der Wasserqualität bislang keine Auffälligkeiten festgestellt worden. Wer Meldungen zur Verunreinigung der Schlei durch stark gedüngte Äcker gelesen hat oder sich aus anderen Gründen sorgt, kann sich unter https://www.schleswig-holstein.de/DE/fachinhalte/B/badegewaesser/allgemein.html informieren.
Mehr Tipps aus der Region
Die Geltinger Birk ist im Sommer vor allem an Wochentagen zu empfehlen, wenn weniger los ist und man sich auf die wunderbare Natur konzentrieren kann. Ein echtes Fördeschätzchen ist Holnis. Vor allem im September, wenn das Wasser noch warm ist und sich der Charme der Nebensaison ausbreitet. Ganz wunderbar ist es mit Uwe spazieren zu gehen. Oder einem anderen Esel von der Koppel in Brodersby. Immer in der Nähe der Schlei.
Schön geschrieben, Dein Blog ist eines der wenigen Reise- und Wanderblogs, das auch literarisch lesenswert ist.
Lieben Dank, das freut mich sehr!
Moin liebe Elke, kann mich dem Vorkommentator nur anschliessen. Diesen Text habe ich zudem besonders gern gelesen, weil wir im Sommer knapp 2 Wochen an die Schlei fahren. Fotos und Text steigern meine Vorfreude! Danne.
Herzlich, Dörte
Danke, liebe Dörte!
Ich wünsche euch wunderschöne Tage an der Schlei! Bin gespannt, wie es dir gefällt!
Liebe Grüße, Elke
So schöne Fotos!
Danke dir!