Süßer Regen

Bergen bei Regen

Es ist nicht so, dass ständig Wasser auf Bergen prasselt. Wirklich. Ich habe es schon zwei Mal bei schönstem Sonnenschein erlebt. Nur beim dritten und vierten Mal hat sich die Sache wieder ausgeglichen, und der Nieselregen orientierte sich mitnichten an der Wettervorhersage. Doch die Bergenser haben neben dem hemmungslosen Tragen von Kapuzen und Schirmen weitergehende Maßnahmen für graue Tage entwickelt. Dank minutiöser Recherche bin ich ihnen auf die Schliche gekommen.

Feierabend? Ab auf den Fløyen!

Als Einwohner dieser Stadt hast du nach Arbeitsschluss oft nur ein Ziel: Sport. Wie viele zieht es auch Linn auf den Hausberg Fløyen. Aber nicht mit der steil bergauf kriechenden Standseilbahn. Einmal pro Woche läuft sie den Berg im Zickzack hoch und wieder hinunter. Im Winter vorzugsweise mit einer Stirnlampe, wenn es dunkel ist. Beim Aufstieg macht die Lampe durchaus Sinn, oben werfen Laternen einen warmen Lichtschein auf die Wege, der Wind rauscht durch die Nadelbäume. Dann der Ausblick! Erst auf dem Fløyen offenbart sich die ganze Schönheit der Stadt an Fjord und Meer.

Fløstuen Butikk og Kafé
Auf einen Kaffee.

Daher heißt mein erster Tipp: „Fløistuen Butikk og Kafé“. Neben dem saisonbedingt nur am Wochenende geöffneten „Folkerestaurant“ leuchtet das kleine Café im weißen Pavillon an wolkenverhangenen Nachmittagen. Eine warme Suppe, eine heiße Schokolade, eine frische Zimtschnecke? Passt. Vielleicht nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Ein Kaffee zum Aufwärmen nach dem Spaziergang. Dem Café ist ein Shop angegliedert, der neben handelsüblichen Trollen zum Beispiel wattierte Handy-Jacken verkauft. Damit es im kalten Winter auch noch mit dem Smartphone klappt. Versteht sich von selbst, dass die Fløyen-Terrasse als Selfie-Spot No. 1 von Bergen gehandelt wird.

Die Superstulle

Der Norweger an sich isst ja gerne ein Butterbrot zu Mittag. Durch einen charmanten Zufall habe ich eine Bio-Bäckerei mit Café entdeckt, und zwar ganz in der Nähe der Talstation am Fløyen. Genauer gesagt im Einzugsgebiet des für Deutsche schwierig auszusprechenden Straßennamens „Vetrlidsallmenningen“, Nummer 19. „Godt Brød“ nennt sich der Laden. Beste Sandwiches ever! Auf Wunsch auch nach eigenem Gusto zusammenstellbar. Frisch sind die Brote allemal.

Norwegischer Fastelavnsboller
Der Clou für danach.

Und Glück hast du, wenn du in dem winzigen Café einen Platz ergattern kannst, so mitten zwischen sitzenden und stehenden Einheimischen. Ehrlich gesagt, nach der Superstulle im ausbalancierten Höhen-Längen-Breiten-Verhältnis konnte ich nicht widerstehen und habe bei den Fastelavnsbollern zugelangt. Ein Hefeteigteilchen mit Himbeerpüree und Sahne gefüllt. Das absolute Wahnsinn. Übrigens findet ihr ein Rezept für Fastelavnsboller bei der lieben Kollegin vom Blog „Mahtava“. Ausgesprochen nützlich, wenn Norwegen gerade nicht in Reichweite ist, man aber auf seine Fastelavnsboller nicht verzichten möchte. Egal, ob die Zeichen auf Karneval stehen oder nicht.

Kaffee im Kulturerbe

Ich kann einfach nicht anders, in Bergen muss ich dem alten Bryggen einen Besuch abstatten. Immer. Und nachschauen, ob es das süße Café noch gibt, dass ich mal im Sommer entdeckt hatte. Ja, es ist noch da, nennt sich aber jetzt anders, nämlich „Kat Kafe Bryggen“. Sonst alles hübsch geblieben, draußen wie drinnen. Eine Kundin fragt den freundlichen Mann hinter der Theke, ob in den Holzhäuser heute noch Menschen lebten.

Bryggen am Abend, Bergen
Night falls.

„Ne“, antwortet dieser. „300 Jahre ist das her.“ Merke: Wenn du Kaffee im Weltkulturerbe ausschenkst, bist du auch ein halber Guide. Ich bestelle Waffeln, norwegische Waffeln, weil die Norweger ein Händchen für gute Waffeln haben. Auch wenn meine im „Kat Kafe“ schon gebacken ist und kurz in der Mikro aufgewärmt wird, schmeckt sie noch gut. Ein Schälchen Marmelade gehört dazu.

Norwegische Waffel
Waffel-Alarm

Nebenbei erfahre ich, dass die beiden norwegischen 200er Banknoten in meinem Portemonnaie nicht mehr im Umlauf sind, von der Bank aber noch zehn Jahre lang umgetauscht werden. Den neuen 200er ziert übrigens ein Dorsch, wie mir Jörn-Roger zeigt. Merke: Wenn du ein Café hast, bist du auch Berater in Gelddingen. Wozu die Norweger überhaupt noch Scheine in Umlauf haben, ist mir ein Rätsel. Wo doch fast alles mit Karte bezahlt wird.

Sweet Rain

Und manchmal zieht es dich an neue Ufer. Zum Beispiel auf die andere Hafenseite. Rund um die Strandgaten entfaltet sich ein hübscher Kiez auf der Halbinsel Nordnes, die einst mit Holzhäusern bebaut war. Einige davon haben Feuer und Krieg überstanden oder wurden wiederaufgebaut. Weiß getüncht erinnern sie mich an die Altstadt von Stavanger. Auch ein paar schmale Durchgänge und Gassen von und zur Strandgaten lassen noch viel vom einstigen Flair erahnen.

Nordnes, Bergen
Fast wie in Stavanger.

Ich spotte ein paar Streetart-Stücke zwischen dem Wasser und der C. Sundts gate, als mir ein kleines weißes Gebäude ins Auge fällt. „Sweet Rain“ steht darüber. „Ein Name, der zu unserer schönen Stadt passt“, meint die Frau hinter der Theke, Krastina. Wir reden über das Gebäude und seine alte Substanz aus Holz. Und über den Hafen, der früher bis fast ans Haus reichte. Ich stelle mir vor, wie ein Fischer vor einigen Jahrhunderten seine Ware genau hier löschte. Und so wird mein Café-Besuch zu einer Mini-Exkursion in Bergens Vergangenheit. Draußen hat es längst aufgehört zu regnen, während ich einen letzten Kaffee trinke.

Sweet Rain, Bergen
Im Keksparadies.

Im „Sweet Rain“ machen sie alles selbst, von kunstvollen Schoko-Törtchen über ein Riesen-Keks-Sortiment bis zu Croissants. Ich suche einige Plätzchen für die Geschenkbox zusammen – Souvenirs, Souvenirs.

Auf Norwegisch heißt es übrigens „kjeks“, das Plätzchen.

Text und Fotos: Elke Weiler

Bald geht es hier weiter nach Nordnorwegen! Über „Stormen“ und einen Schneesturm in Bodø, den Einfluss von Karotten und die Wiedergeburt einer Minenstadt werde ich erzählen. Und viel Schnee!

Weiterlesen? Hier meine fünf Buchtipps zum Einlesen für den nächsten Norwegen-Urlaub.

Meine Bergen-Bodø-Reise wurde ermöglicht von Visit Norway, Fjordnorway, Visit Bergen, Northern Norway, Visit Bodø und nicht zuletzt von Widerøe, einer Airline aus Bodø, die von Hamburg und München nach Bergen fliegt.

6 thoughts on “Süßer Regen

  1. Hei og god morgen, Elke!
    Så nå reiser du i mitt personlige paradis. Jeg er veldig trist.
    Aber nur bis Sommer. Und so werde ich Deine Artikel förmlich einsaugen und auf unserer großen Karte für die Sommertour berücksichtigen:-) Und bin ziemlich gespannt auf Deine Erlebnisse im Schneesturm. Und Bødo ja auch, wo im Bahnhof die Züge einen extra Heizwaggon haben……

    Ach ja, wie singt es die norwegische Sissel Kyrkjebø: „Innerst i sjelen….“

    Lieber Gruß

    Kai

    1. Lieber Kai, es dauert ja nicht mehr lange bis zu eurer Norwegenreise! Bodø und Umgebung waren einfach genial. Endlich richtiger, feiner, knirschender Schnee in rauen Mengen. Aber darüber bald mehr! Lieben Dank für deine unermüdliche Kommentierfreude! Einen schönen Sonntag wünsche ich euch! Liebe Grüße, Elke

  2. Auf dem Fløyen bin ich auf einer Eispfütze ausgeruscht und habe mich so richtig schön auf den Hintern gesetzt. Aber gefallen hat mir der Berg trotzdem, auch wenn der Nieselregen den Blick auf die Stadt ein bischen verschleiert hat. Am zweiten Tag in Bergen hat sogar ab und zu mal die Sonne rausgelugt. Und dann ging es mit der Hurtigrute nach Norden – Anfang April lag da noch eine ganze Menge Schnee.

    Ich mag Winter, aber irgendwann möchte ich die Tour doch noch mal im Sommer machen. Stockholm und Umgebung kenne ich ganzjährig, da ich dort mal gelebt habe, deshalb weiss ich, wie schön der skandinavische Sommer sein kann.

    1. Ja, bei den kleinen Eisflächen muss man echt aufpassen, das ging mir in Bodø genauso, bin aber zum Glück nur gerutscht. Bei einer Abendtour haben wir uns Spikes angeschnallt, das war dort oben auch sinnvoll. Die Hurtigruten-Strecke ist genial. Ich habe einen Teil davon im Sommer gemacht, möchte es aber gerne mal komplett und im Winter machen. :-) Eigentlich finde ich es optimal, wenn man eine Zeitlang irgendwo anders lebt, das ist besser als jeder Urlaub, viel intensiver. Liebe Grüße von der Küste! Elke

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