Auf Elch-Safari

Weg. Madame war wieder mal unterwegs. Plötzlich sah ich Papi, meinen süßen Plüschelch, mit anderen Augen. Kam er aus Norwegen? Aus dem Land, in das Madame entschwunden war? Würde sie schneller zurückkommen, wenn ich ihn ein bisschen herzte? Nicht, dass mir langweilig war.

Ich hatte mit Monsieur am Dockkoog ein paar Kollegen getroffen, und wir waren über weite Wiesen geflogen, während das Meer plitscherte und plätscherte. Überraschenderweise hatte mich ein Schaf angestupst.

Erst trottete es scheinheilig auf mich zu, um mich dann in einer für Schafe unüblichen, blitzschnellen Aktion zurechtzuweisen. Dieses Wuselvieh wurde auch immer frecher! Voller Gedanken entfernte ich mich von seiner Weide. Als wenn ich auch nur einen Grashalm angeknabbert hätte!

Schließlich hatte ich genug eigenes Gras in jeder Form: frisches, geschnittenes, getrocknetes oder gepresstes aus den Näpfen der Rennplüsche. Meerschweine galten gemeinhin als gastfreundlicher denn Deichschafe.

Rennplüsche galten als gastfreundlicher denn Deichschafe.

Wieder fiel mein Blick auf Papi, den Elch, und ich sinnierte über Reisen, die ja auch immer mit Abschied und Wiedersehen zu tun hatten. Mit Aufhören und Fortfahren. Mit Zügen und Bahnsteigen.

Wir hatten Madame nämlich zur Bahn gebracht. Alles war sehr aufregend, voller Gerüche, fremder Lutscher und Koffer. Madame zog ein dickes rotes Ungetüm in den Waggon, sofort schloss sich die Tür hinter ihr, und ich wurde nervös.

Sollte uns diese blöde Tür voneinander trennen? Warum nahm sie mich nicht mit ins Land der Papis? Fellmäßig war ich doch optimal für die Gegend jenseits des Polarkreises ausgerüstet!

Was wollte Madame dort eigentlich? Elche jagen und mir einen mitbringen? Aber ich hatte doch schon Papi! Und er war zur Zeit mein bester Freund. Wie ich es auch drehte und wendete: Diese Reise machte aus meiner Sicht keinen Sinn.

Wozu noch nach Norwegen fahren? Der Elch ist hier!

Es sei denn, sie hätte mich in diesem roten Monster versteckt und in den Flieger geschmuggelt. Ich hätte auch wirklich ganz still gehalten, selbst wenn mir der Magen wie verrückt geknurrt hätte.

Der bloße Gedanke an norwegischen Lachs hätte mich bei Laune gehalten. Vielleicht brachte Madame mir ja ein selbst geangeltes Exemplar mit? Oder ein bisschen Trockenfisch?

Auch wenn Papi zu den unzähligen ausgewanderten Elchen gehörte und es also davon nicht mehr so viele in Norwegen geben konnte: Fisch gab es sicher genug. Oder Rentiersalami?

Dafür würde ich so einiges tun. Etwa keine Zäune mehr einreißen, nicht mehr zu den Pferden oder Nachbarn laufen, wie letztens. Dabei war es dort wirklich sehr nett und amüsant gewesen. Bis Spielverderber Monsieur kam.

Und sich jegliche Form von Selbsteinladungen verbat. Hatte er denn nicht gerochen, wie köstlich diese Leute grillten? Da brauchte man doch keine extra Einladung mehr. Nicht hinzugehen hätte wie eine Beleidigung ausgesehen.

Wo bleibt Madame nur?

Jetzt dachte ich nur noch eins: Hauptsache, Madame kam wieder. Auf dem Weg zum professionellen Hütehund musste ich zunächst mein Rudel zusammenhalten. Keiner weniger, war die Devise. Die Tage vergingen wie Blei, und in meiner Verzweiflung fragte ich sogar bei den Rennplüschen nach. Doch die putzige Lotti sah mich nur ratlos mit ihren Knopfäugelchen an.

Ich war mir jetzt sicher, sie vermissten Madame auch. Dazu musste ich gar nicht ihre Sprache verstehen. Dieser eine Blick reichte. Ich musste die Polizei verständigen, Interpol, eine groß angelegte Suchaktion. Papi konnte seine Familie in Norwegen aktivieren, und…

An einem ganz normalen Tag drehte sich das Blatt. Wieder stand ich mit Monsieur vor den Schienen, die Abschied und Wiedersehen bedeuteten. Und mit einem Mal erschien ein dickes, rotes Ungetüm direkt neben mir. Es roch nach Madame… Nach Lachsen, Walen, Meer!

Madame. Wie aus dem Nichts. Ich drehte komplett durch, wedelte wie verrückt, sprang, knutschte, drehte mich im Kreis, warf den Koffer um und Madame fast mit. Monsieur und ich, wir durften sie nicht mehr aus den Augen lassen. Nie mehr!

Keiner weniger, lautet die Devise des Hütehunds.

Wann packte sie endlich das rote Monster aus? Was hatte sie mir mitgebracht?

Madame tat geheimnisvoll, als sie das Ungetüm öffnete. Monsieur wurde zuerst bedacht. Ein Elch, frisch immigriert. Was meine Vermutung bestätigte, dass weitere Migrationswellen aus Skandinavien zu erwarten waren.

Als sie mein Geschenk herauszog, roch ich zunächst nichts von Bedeutung. Null Lachs, weder Trockenfisch noch Rentiersalami. Eine Walsafari-Mütze. Na ja, wenn ich irgendwann ein eigenes Boot hatte, würde ich sie aufsetzen. Und die Wale, die kamen dann bestimmt von allein.

Text: Julchen (nach Diktat zum Hafen gelaufen. Welches Boot sollte sie auswählen? Passend zur Mütze…)

Fotos: Elke Weiler

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