Einmal im Palazzo wohnen
– Werbung – aus Gründen der Transparenz, da das zur Radisson Collection zählende Hotel Palazzo Montemartini zu der Pressereise eingeladen hat.
Im Viertel Casalbertone hatte ich eine Wohnung gemietet, vorher und danach an vielen Orten in der ewigen Stadt übernachtet. Nun zum ersten Mal in einem der herrschaftlichen Palazzi im Stile Umbertino.
Auf dem Schwarzweißfoto lässt sich Giovanni Montemartini als ein beleibter Mann mittleren Alters mit opulentem Schnauzer und einem Bart erkennen, der klar die Dimensionen desjenigen sprengt, was heutzutage unter Hipster-Bart zu verstehen ist. Das mag auch daran liegen, dass werter Signore vor mehr als hundert Jahren gelebt hat.
Als ich in Rom Kunstgeschichte studierte, kam mir und meiner Kommilitonin Anne einmal die Idee, die klingenden Namen sämtlicher Metro-Stationen abzufahren, um zu sehen, wieviel sich überirdisch davon identifizieren lässt. Allein in die Tat umgesetzt habe ich es nie. Wie oft wissen wir nicht, was hinter den Namen von Straßen oder Plätzen steckt. Welche Geschichte, welcher Teil einer Stadt.
Vom Heizkraftwerk zum Museum
Giovanni Montemartini erblickte in Norditalien das Licht der Welt und starb 1913 mit 46 Jahren in Rom an einem Schlaganfall. Als Wirtschaftswissenschaftler und Kind seiner Zeit setzte er sich mit Marx und dem Marginalismus auseinander. In Rom arbeitete er zuletzt im Ministerium für Landwirtschaft, Ökonomie und Handel, wo er sich dafür einsetzte, dass von Privatunternehmen geführte öffentliche Betriebe in die Hände der Kommune gelangten.
Ihm zu Ehren nannte man das erste Heizkraftwerk im Stadtteil Ostiense „Centrale Montemartini“. Heute ein Teil der Kapitolinischen Museen, wo antike Statuen im industriellen Ambiente vor alten Gerätschaften gut ausschauen. Schräg gegenüber des Hauptbahnhofs Termini existiert zudem der „Largo Montemartini“, eine Art Platz, doch eigentlich nur der Zugang zum gleichnamigen Palazzo. Ein eklektizistisches Gebäude, einst Verwaltungssitz der ATAC, Azienda Tranvie ed Autobus del Comune di Roma, das Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs in Rom.
Man spricht hier vom Stile Umbertino, der vor allem im Rom der Epoche beliebt war. König Umberto I. von Savoyen regierte von 1878 bis 1900 über Italien, nach ihm ist der Stil benannt. Rom wurde 1870 zur Hauptstadt des Königreichs ernannt. Als bedeutendes Beispiel des Stile Umbertino gilt der Justizpalast.
Aufgefallen war mir das Gebäude an der Via Volturno nie, vermutlich weil man von Termini kommend meist nach links in Richtung Altstadt abbiegt. Die Hauptfassade des Palazzo Montemartini wendet sich vom Bahnhof ab. Und da ist etwas, das dem Gebäude die Show stiehlt: Das immense Gelände der Diokletiansthermen schließt direkt zur Linken an.
Die Privatisierung des Palazzos vor einigen Jahren steht zwar im Gegensatz zu dem, was Montemartini predigte, dennoch blieb der Name erhalten. 2008 wurde das mittlerweile leerstehende Gebäude von der Stadt an eine Firmengruppe aus Neapel verkauft, die kräftig investierte. So öffnete das Hotel Palazzo Montemartini 2013 seine Pforten. Das mit dem Umbau beauftragte Büro King Roselli Architetti hatte zunächst Räumlichkeiten vorgefunden, die sich nicht gerade für einen Hotelbetrieb eigneten.
Doch davon ist heute nichts zu spüren. Inspiration zogen die Innenarchitekten aus der näheren Umgebung, und man zitierte sowohl den Rest der Mura Serviane, des ersten Mauerrings von Rom aus dem 6. Jahrhundert vor Christus, als auch die Therme. Das Mauerstück führt zum heutigen Haupteingang, der seitlich vor einer Art Hof liegt. Im Sommer stehen hier Stühle und Tische, die Gäste können in der Nähe der Mura Serviane frühstücken.
Mit Blick auf die Umgebung standen die Themen Stein und Wasser bei der Metamorphose des Palazzos im Vordergrund. Als ich ins Foyer trete fallen mir sogleich die gelben Zwischenwände aus Onyxmarmor auf, der durchscheinende Kalksinter wird von innen beleuchtet. Diese Raumtrenner definieren lieber, statt durchgehend aufzuteilen.
Rund gegen viereckig
So ist ein Teil der einladenden Bibliothek zu erkennen. Es gibt Durchblicke, Einblicke, Ausblicke, letzterer vor allem in meinem Zimmer aus der Kategorie „Collection Room“ im dritten Stock. Die Fenster führen in die Via Gaeta, und so schaue ich auf die Mauern der antiken Therme und fühle mich mitten in Rom.
Die geschwungene Decke scheint das Viereckige des Raums zu negieren, auch in der umlaufenden Bank rechts vom Bett wird die Dynamik aufgenommen. Alles ist weiß, strahlt gleichsam und wirkt ebenso schlicht wie elegant. In den kommenden Tagen genieße ich es, gleich am Morgen mein Fenster zur Antike zu öffnen und mich mit einem selbst aufgebrühten Kaffee auf der Bank niederzulassen.
Natürlich präsentiert sich das Frühstücksbüffet im Restaurant „Senses“ opulent und mit zahlreichen süßen Schweinereien ausgestattet. In punkto Dolci kann man den Römern eben nichts vormachen. Erst recht nicht den Sizilianern, und der Chef des Restaurants kommt zufällig von der Insel.
Da macht es durchaus Sinn, vor dem Frühstück schon mal eine Runde durch den Garten der Therme zu drehen. Oder die zum Komplex gehörende Basilika Santa Maria degli Angeli e dei Martiri zu besuchen, die von außen wie eine Ruine wirkt, im Innern unter anderem von Michelangelo zu einer Kirche umgestaltet wurde. Herrschte im Rom des 16. Jahrhunderts ein hoher Bedarf an Gotteshäusern, sind heute eher Hotels gefragt.
Von Wellenbewegungen
Der zentrale Bereich des Palazzo Montemartini ist das heutige Restaurant mit seinen stämmigen Marmorpfeilern, die den Raum definieren und in Form von Pilastern an den Wänden zitiert werden. In den ersten Jahren wurden hier Tickets verkauft, später nutzte die Verwaltung der Verkehrsbetriebe den Saal zu repräsentativen Zwecken. Heute plätschert Wasser in seiner Mitte: Eine Art Tischbrunnen mit einem Vorhang aus Wasser zu installieren, setzt das Grundthema von King Roselli fort und verleiht dem Raum eine Atmosphäre wie in einem Patio.
Mehr Entspannung verspricht allein der Spa-Bereich im Untergeschoss. Klein, aber fein das Becken, davor die Behandlungsräume, ein Hammam, eine Sauna und ein Salzraum. Die vorherrschende Dunkelheit vermittelt eine höhlenartige Stimmung ebenso wie Ruhe. Automatisch dämpft man die Stimme, vor allem bei der Massage im noch dunkleren Extra-Zimmer.
Während asiatische Musik leise im Hintergrund spielt, gleiten die Hände der Masseurin über den Körper. Viel Öl hilft bei der Technik, die etwas vom Fließen des Wassers hat, eine Bewegung ergibt die nächste und führt sie fort wie eine Welle, nicht nur Entspannung, sondern auch Entlastung an Problemstellen wie den Schultern verschaffend.
Als ich aus der Wellnesshöhle wieder hinaustrete in die lichte Designwelt des Hotels, fühle ich mich zugleich müde und relaxed bis schwebend leicht. Die Sushi-inspirierten Vorspeisen des Chefkochs bilden daher die ideale Ouvertüre zum Dinner im „Senses“. Da ich keinen wirklichen Appetit verspüre, bestelle ich als „Primo“ die Paccheri, runde Nudeln, die mir eine Spur zu sehr al dente gekocht sind. Den zweiten Gang lasse ich aus, damit für das Dessert noch Platz ist.
Wenn dein Bad zum Hammam mutiert
Würde ich reich sein wollen? In der Sky Suite des Palazzo wohnen oder in der Penthouse Suite mit ihrer genialen Dachterrasse? Im Zimmer 207 mit seiner restaurierten Holzkassettendecke auf der sogenannten Nobel-Etage, die noch so viel vom einstigen Geist des Palastes konserviert hat?
Und die Frage aller Fragen: Was wäre aus dem Palazzo geworden, wenn kein Hotel darin eingezogen wäre? Ein Badehaus – aufgrund der Nähe zu den Diokletiansthermen vielleicht. Stattdessen sind da die Spa Suiten und in nicht wenigen Zimmern lässt sich das Bad in einen Hammam verwandeln. Vielleicht nicht ganz im Sinne Montemartinis, so ein Luxushotel. Aber sehr römisch, in jenem Kontrast zu den Kiosken an der Straße, dem Trubel von Termini, den Rufen der Verkäufer von Bustouren auf der Straße.
Und überall fließt das Wasser.
Text und Fotos: Elke Weiler
ZImmerpreis
Ein Zimmer der Kategorie Collection im Palazzo Montemartini kostet im Januar 2019 ab 197,- Euro zzgl. der römischen Bettensteuer von 7 Euro pro Nacht.
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Bald geht es hier weiter mit dem „anderen“ Rom jenseits der antiken Highlights. Mit meiner persönlichen Neuentdeckung, dem MAXXI Museum, einer Architektur der grandiosen Zaha Hadid im Viertel Flaminio.
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Liebe Elke,
bei deinem selbstgebrühten Kaffee kamen direkt Kindheitserinnerungen vorbei. Meine Mutter hatte meistens einen Tauchsieder und Löskaffee irgendwo im Gepäck deponiert, wenn wir unterwegs waren. Man weiß ja nie. Lach. Es duftet nach Kindheit und Kaffee!
An Rom würden mich die Schichten unter der heutigen Stadt sehr interessieren. Deshalb werden jetzt deine Links umgekrempelt. Mal schauen, was du noch so als Schmankerl hast!
Herzliche Grüße
Franziska
Liebe Franziska, deine Mutter hat es genau richtig gemacht! Man fühlt sich direkt wie zu Hause. Das ist wie mit dem Stricken, ich habe es in Schweden ausprobiert und abends mein Strickzeug aus dem Koffer geholt. Als ich in Rom lebte, fand ich es schön, morgens die Caffettiera mit Wasser und Kaffeepulver gefüllt auf den Gasherd zu setzen. Wenn es zischte, war der Kaffee fertig. Und wie das geduftet hat! Hach, ich könnte noch so viel über Rom schreiben! Über die Stadt, die sich nicht verändert. Und doch verändert. Ein bisschen schon. Danke dir und liebe Grüße, Elke
Einmal Rom, immer wieder Rom, eine wunderschöne Stadt mit diesen herrlichen Sehenswürdigkeiten.
Ich bin ziemlich beeindruckt, wie Du Architektur in Worte fasst. Ich habe viele Jahre in fast allen Ländern Europas Räume und Gebäude in ihrem Inneren gestaltet, vieles ganz neu entworfen. Das spannende dabei war, das Äußere mit dem Inneren zu verbinden und die regionalen Umstände einzubeziehen.
Räume sind oft Spiegel der eigenen Seele, entsprechend fühlt man sich wohl in Räumen, die die eigene Seele spiegeln oder erkennt, wenn mal will, ein Stück die Seele der Architekten.
Das ist eine ganz spannende Entdeckungsreise und gerade Rom war einst unter den führenden Herrschaften, wenn es um Architektur geht. Das ist sogar heute noch im Designbereich so.
Ich selbst arbeite gerade an einem Artikel zu einer ganz anderen Architektur, dem Atlantikwall. Aber das dauert noch ein wenig.
Danke, lieber Kai! Ich hätte ja noch verstanden, wenn du das unter den Artikel über das MAXXI Museum von Zaha Hadid geschrieben hättest! Aber hier geht es ja mehr um eine Umgestaltung und die Historie. In der Tat ist die Architektur aber mein Steckenpferd als Kunsthistorikerin, und ich habe gerade mal wieder gemerkt, dass viel zu selten darüber geschrieben wird, wie ein Gebäude auf uns wirkt. Gehe ich recht in der Vermutung, dass dein Projekt Atlantikwall eher historisch gelagert ist?